Schlossgraben Darmstadt : „Eine Oase mitten in der Stadt“
- -Aktualisiert am
Wasserspiele: Der Schlossgraben in Darmstadt ist – wie vor 1944 – wieder öffentlich zugänglich. Bild: Sick, Cornelia
Die Technische Universität hat den Schlossgraben in Darmstadt zum „Volksgarten“ umgestaltet. Jetzt steht er allen Besuchern offen. Die Arbeiten gehen jedoch noch weiter.
Manfred Efinger hat Sonntagvormittag vor Freude so laut geschrien, als hätte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Brasilien ihr erstes Tor geschossen. Der Temperamentsausbruch des Kanzlers der Technischen Universität Darmstadt galt allerdings keiner sportlichen, sondern einer technischen Leistung: Die Wasserfontäne im frisch angelegten Teich des Schlossgrabens funktionierte auf Knopfdruck. Im östlichen Grabenabschnitt des Stadtschlosses bilden Teich und Fontäne daher seit gestern den optischen Mittelpunkt von Darmstadts neuem „Volksgarten“.
Ein Dreivierteljahr nach Beginn der Gestaltungsarbeiten haben viele Bürger der Stadt die Gelegenheit der offiziellen Eröffnung genutzt, um durch Darmstadts jüngsten Park zu flanieren. Die meisten dürften dabei wohl kaum noch Erinnerungen gekommen sein an jene Zeit vor 1944, als der Schlossgraben schon einmal als Schlossgarten genutzt wurde. Schließlich liegt das schon 70 Jahre zurück. Die Beschädigungen des Schlosses durch die Bombenangriffe hatten dem abrupt ein Ende bereitet.
Schlossgraben war trockengelegt worden
Oberbürgermeister Jochen Partsch (Die Grünen) erinnerte daran, dass in dem alten Wassergraben nach dem Zweiten Weltkrieg über Jahre hinweg zunächst der Kriegsschutt lagerte. Später seien alle Versuche, sich die innerstädtische Grünzone zurückzuerobern, gescheitert. Der Schlossgraben blieb verschlossen. Partsch danke Efinger deshalb nachdrücklich, dass er sich das Projekt einer Öffnung wieder zu eigen gemacht und mit Hilfe vieler Bürger verwirklicht habe: „Das verdient unseren Respekt.“ Angesichts der öffentlichen Spenden- und Hilfsbereitschaft dürfe der Schlossgarten mit Recht auch als „Volksgarten“ bezeichnet werden.
Den Zeitpunkt der Eröffnung hatte die TU bewusst gewählt. Vor fast 200 Jahren hatte der damalige Großherzog die Entscheidung gefällt, den alten, durch den Darmbach gespeisten Schlossgraben trockenzulegen und dort einen Botanischen Garten zu gestalten. Hofgärtner Johann August Schnittspahn begann hier 1814 mit der Kultivierung einheimischer Pflanzen. Über die Jahre folgten dann insgesamt fünf Umzüge, bis der Botanische Garten seinen Standort nahe der Lichtwiese fand. Sein Direktor und wissenschaftlicher Leiter Stefan Schneckenburger absolvierte gestern seine Führungen durch den rekonstruierten Schlossgraben in einer ähnlichen Uniform, wie sie einst sein Vorgänger Schnittspahn getragen hatte.
Mehr als 100.000 Euro Spenden erhalten
Das blieb allerdings nicht die einzige Reminiszenz an die Geschichte. Unter den 40 Pflanzenarten, die die Gartenbauer in den vergangenen Monaten pflanzten, befinden sich auch solche, die schon vor 200 Jahren einmal hier gesetzt worden waren: die Waldhortensie zum Beispiel, die Rote Spornblume oder die erlenblättrige Zimterle. Diese nach historischem Vorbild bepflanzten Beete befinden sich direkt an der gewaltigen Schlossmauer in unmittelbarer Nähe des neugeschaffenen Teichs. Hier an dieser Stelle ist der „Bauch“ des Grabens besonders dick, und die Parkanmutung ist daher sehr intensiv. Bänke laden zum Verweilen ein. „Eine Oase der Ruhe in einer lärmgeplagten Stadt“, wie Efinger sagte.
Für den Kanzler war am Sonntag mit der Eröffnung des ersten Grabenabschnitts nur Halbzeit. Deshalb zog er eine Bilanz und gab gleichzeitig einen Ausblick auf die nächste Hälfte des Schlossgrabenprojekts. Seine Bilanz fiel sehr positiv aus. Dem Aufruf der Universität, sich durch Zuwendungen an der Finanzierung der Grabenumgestaltung zu beteiligen, sind mehr als 200 Spender gefolgt, die zusammen genau die Summe von 109.000 Euro aufbrachten, die für den östlichen Abschnitt benötigt worden war.
Arbeiten am westlichen Schlossgraben folgen
Zum Kreis der Sponsoren gehörten Vereine wie die Darmstädter Heiner oder das Alumni-Netzwerk der TU ebenso wie alteingesessene Bürger, die der Universität auch historische Fotos aus eigenem Besitz zur Verfügung stellten, die für einen Bildkalender verwendet werden sollen. Deshalb zeigte sich der Kanzler bei der Eröffnung optimistisch, dass auch das nächste Spendenziel von 122.000 Euro erreicht werden kann. Diese Summe benötigt Efinger, um auch den westlichen, 12.000 Quadratmeter großen Schlossgraben wieder instand zu setzen, dort also neue Wege zu gestalten, Blumen und Bäume zu pflanzen und die historische Brunnenanlage auf der Bastion zu restaurieren. Das soll bis Frühjahr 2017 geschehen.
Potentiellen Spendern macht es die Universität einfach. Baum- und Blumenfans können für Eichen, Obstbäume oder ganze Rosenbeete Patenschaften übernehmen, Liebhaber der Architektur wiederum Laternen und Steinkugeln nach historischem Vorbild sponsern. Der Erlös des gestrigen Eröffnungstages, der als kleines Volksfest begangen wurde, soll in die historische Brunnenanlage fließen, für deren Restaurierung allein 117.00 Euro benötigt werden.