
Linke-Kandidatin Wissler : Links mit Format
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Ein Schaf im Wolfspelz? Die Fraktionschefin der Linken im Hessischen Landtag, Janine Wissler will den Parteivorsitz im Bund übernehmen. Bild: Wolfgang Eilmes
Die hessische Linke-Vorzeigefrau Janine Wissler hat alle Chancen, den Parteivorsitz im Bund zu übernehmen. Auch wenn sie sich regelmäßig auf dem linken Flügel verortet, ist sie auf der anderen Seite ohne weiteres anschlussfähig.
Auch wer ihre inhaltlichen Positionen abwegig findet, wird den früher oder später unvermeidlichen Abschied von Janine Wissler aus Wiesbaden bedauern. Er ist wahrscheinlich, denn die Fraktionschefin der Linken im Hessischen Landtag hat alle Chancen, im Oktober an die Spitze ihrer Bundespartei gewählt zu werden. Sie ist diejenige in der Riege der stellvertretenden Vorsitzenden, die auf dem Parteitag vor knapp zwei Jahren die meisten Stimmen bekam.
Dass die Neununddreißigjährige das nötige Format für die nationale Ebene der deutschen Politik besitzt, bestreiten auch ihre Kritiker nicht. Im Hessischen Landtag ist sie mit ihrem rhetorischen Talent eine Ausnahmeerscheinung. Eine kleine Kostprobe gab Wissler, als sie sich zu ihrer nun aufgekündigten Mitgliedschaft in dem linksextremen Netzwerk „Marx21“ äußerte. „Das ist keine Aufgabe von Positionen, sondern eine klare Trennung.“ Der Satz ist ein rabulistisches Kunstwerk. Wissler kappt ihre Verbindung zum Marxismus, bleibt ihm aber treu. So begegnet sie dem Argument, dass die Linke mit einem bekennenden Mitglied des trotzkistischen Parteizirkels an der Spitze nicht zu einer Regierungskoalition fähig sei.
Nie besonders ernst genommen
Viele Zitate aus der Programmatik des trotzkistischen Netzwerkes wurden ihr in den zurückliegenden Tagen vorgehalten. Darin wird in erstaunlicher Klarheit eine tiefe Verachtung von demokratischen Regeln und Institutionen zum Ausdruck gebracht. Doch hat Wissler die Theorien der Ultralinken nie besonders ernst genommen. Beispielsweise betrachtet sie die Beteiligung ihrer Partei an einer Regierung seit vielen Jahren als ernsthafte Option.
Dass es 2009 in Hessen nicht zur Duldung einer rot-grünen Koalition durch die Linke kam, lag allein an vier gewissenhaften SPD-Abgeordneten, die ein solches Bündnis als Wortbruch gegenüber dem Wähler betrachteten. Und als vier Jahre später die Gespräche über ein Dreierbündnis scheiterten, gab Wissler die Hoffnung als Letzte auf. Sie sagte dieser Zeitung damals: „Für mich gilt, was SPD und Grüne entscheiden, und nicht irgendwelche Teilnehmer von Vorstandssitzungen, die Interna an die Presse lancieren.“
Auch im Bund ist Wissler gesprächsbereit. Auch wenn sie selbst sich regelmäßig auf dem linken Flügel der Partei verortet, ist sie auf der anderen Seite ohne weiteres anschlussfähig. Fast möchte man sie als Schaf im Wolfspelz bezeichnen – wenn sie nicht so schlau wäre.