Kronberg : Der Wunsch allein lässt keine Bäume wachsen
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Reichlich Beton: Das Ausbildungszentrum der Deutschen Bank in Kronberg steht leer. Bild: Marcus Kaufhold
Mitten im Grünen liegt das ehemalige Ausbildungszentrum der Deutschen Bank. Die Kronberger Stadtverordneten wünschen sich dort wieder einen Wald. Ist dieser Wunsch realistisch?
Unberührte Waldidylle. Unansehnlich werdende Siebziger-Jahre-Betonflachbauten. Eine überwucherte Ruinenlandschaft. Oder doch ein Wohngebiet für mehrere hundert Neubürger? Es hat viel mit der eigenen Phantasie zu tun, was einem für die Zukunft des ehemaligen Ausbildungszentrums der Deutschen Bank im Wald oberhalb von Kronberg in den Sinn kommt. Die CDU wünscht sich die Natur zurück. Die SPD warnt vor gar nicht romantischen vergammelnden Gebäuden.
Was die Grünen eher als Chance begreifen: Die grüne Rückeroberung durch Bäume könne ein Fall für die Wissenschaft werden. Ein neues Wohngebiet im Kellergrund, wie die Gemarkung heißt, hat hingegen wegen der isolierten Lage wenige Freunde. Erst recht nicht bei den Anwohnern der unterhalb gelegenen Straßen, über deren schmale Zufahrt das Gelände exklusiv zu erreichen ist.
„Wir wollen jeder Spekulation vorbeugen“
Mit großer Mehrheit haben die Kronberger Stadtverordneten beschlossen, eine Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans für das ehemalige Schulungszentrum auf den Weg zu bringen. Aus dem „Sondergebiet Bildung“ soll auf den Karten des Plans „Wald“ werden. Die Koalitionspartner CDU, SPD und Unabhängige Bürgergemeinschaft (UBG) waren in dieser Frage uneins. Die CDU hatte den Antrag dazu gestellt, dem auch Grüne, Kronberg für die Bürger (KFB) und FDP zustimmten. SPD und UBG votierten als einzige mit Nein. Die Meinungsverschiedenheit war schon vorher klar, und einen Koalitionsbruch mochten weder CDU noch SPD und UBG beschwören.
1973 wurde das Schulungszentrum mitten im Forst eröffnet. Die postalische Adresse Oberer Aufstieg schien zum Zweck der Seminare zu passen, die dort bis vor zwölf Jahren gehalten wurden. Die seit 2006 leerstehenden Gebäude nutzte das Land Anfang vergangenen Jahres für wenige Monate als Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 600 Flüchtlinge. Der Mietvertrag läuft zwar noch bis Ende 2018, doch im Herbst wurde das 7,5 Hektar große Gelände angesichts sinkender Asylbewerber-Zahlen wieder geräumt.
„Wir wollen jeder Spekulation vorbeugen“, begründete Max-Werner Kahl (CDU) den Antrag seiner Fraktion. Denn 2013 hatte das Büro Albert Speer & Partner im Auftrag der Deutschen Bank Ideenskizzen für ein Wohngebiet mit bis zu 280 Wohnungen vorgestellt. Das hatte sofort den Protest von Anwohnern der Zufahrtsstraße hervorgerufen.
Anfangs habe man das Ausbildungszentrum über die Bundesstraße455 erreichen können, sagte Kahl. Mit deren Tieferlegung sei es abgetrennt worden. „Die damaligen Stadtväter haben sich offenbar keine weitere Entwicklung des Gebiets vorstellen können.“
König nennt Beschluss „ein Placebo, aber keine Lösung“
Auch Heide-Margaret Esen-Baur (KFB) sagte, eine Splittersiedlung im Wald sei stadtplanerisch nicht erstrebenswert und in Kronberg gebe es genug andere Baugebiete. Mit Nachdruck unterstützten die Grünen den Antrag der CDU, sagte Udo Keil. Die natürliche Sukzession als Folge davon biete eine einmalige Chance für forstökologische Feldforschung. Keil warnte vor dem Verkehrsaufkommen, sollte dort ein Wohngebiet verwirklicht werden. Eine alternative Zufahrt über den Falkensteiner Stock gehe nur zu Lasten des Waldes.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christoph König nannte den Beschluss hingegen „ein Placebo, aber keine Lösung“. Dort werde kein Wald entstehen. „Wer soll die Gebäude denn abreißen und das Gelände aufforsten?“ Hierzu entstehe durch die Änderung des Flächennutzungsplans keine Pflicht. Aber wenn es dort kein Planungsrecht mehr gebe, werde die Deutsche Bank keinen Cent mehr zum Erhalt des Schulungszentrums ausgeben.
Derzeit sei nach Paragraph 35 des Baugesetzbuchs durchaus eine neue Bebauung für Bildungszwecke möglich. Das Risiko, die Eigentümerin werde der Stadt Kosten als Folge der Planänderung in Rechnung stellen, wolle die SPD vorher geprüft haben. Kahl hatte die Sorge vor Entschädigungsforderungen zurückgewiesen. Es gebe keinen gültigen Bebauungsplan, weshalb die Stadt nicht in die Pflicht genommen werden könne. Auch Keil sah keinen Rechtsanspruch, und Esen-Baur berief sich auf die Aussage des Ersten Stadtrats Robert Siedler (parteilos), wonach eine Änderung des Flächennutzungsplans entschädigungslos möglich sei. Außerdem setze der Antrag voraus, dass der Stadt keine finanziellen Risiken entstünden.
Die Sozialdemokraten störten sich aber auch daran, dass der isolierte Vorstoß nicht die großen Linien der Stadtplanung berücksichtige. „Wir stehen vor der Herausforderung, neue Gewerbegebiete ausweisen zu müssen“, sagte König. In einem solchen Fall fordere der Regionalverband eine Kompensation für die beanspruchten Flächen. Das Gelände im Wald biete eine gute Möglichkeit, für den Grünausgleich zu sorgen. Auch Erich Geisel (UBG) sprach sich dagegen aus, die Fläche „einfach herzugeben“. Wobei die UBG kein „Wohngebiet für reiche Leute“ an dieser Stelle wolle. Das hielte die FDP für eine „Zumutung“ für die Bürger an der Dettweiler Straße, sagte Walther Kiep. „Wir wollen wieder Wald im Wald“, hatte Kahl den CDU-Antrag begründet. SPD und UBG blieben mit ihren Zweifeln, dass dieses Ziel erreicht wird, am Ende allein.