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Kreis Offenbach : Auf dem Weg zu den modernsten Schulen Deutschlands

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Stören die Bauarbeiten den Unterricht?

Stören die Bauarbeiten den Unterricht? Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Der Kreis Offenbach soll zum „Schulstandort Nummer eins“ in Hessen werden, um Familien und Unternehmen für den Standort zu interessieren. 100 Schulgebäude werden saniert und bewirtschaftet.

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          Landrat Peter Walter als Schuldezernent und Erste Kreisbeigeordnete Claudia Jäger als Baudezernentin sind in diesen Tagen viel im Kreis unterwegs.Kaum eine Woche vergeht, in der nicht irgendwo damit begonnen wird, eine Schule zu sanieren, oder der Abschluß einer Sanierung zu feiern ist. Vor wenigen Tagen wurden die Arbeiten an der Joseph-von-Eichendorff-Schule in Obertshausen beendet; in dieser Woche war die Selma-Lagerlöf-Grundschule in Dreieich-Buchschlag an der Reihe. Heute soll die sanierte Ludwig-Erk-Grundschule in Langen symbolisch an Walter und Jäger übergeben werden.

          Den Kreis Offenbach zum „Schulstandort Nummer eins“ in Hessen zu machen haben sich Walter und Jäger zum Ziel gesetzt. Eine attraktive Schullandschaft sehen sie als „weichen“ Faktor an, der für ansiedlungswillige Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Standortauswahl spiele: Immerhin seien die Firmen auf gut ausgebildetes Personal angewiesen. Und auch Menschen, die in den Kreis zögen, legten großen Wert darauf, daß ihre Kinder in ansprechender Umgebung unterrichtet werden. Wenn der Kreis die „modernsten Schulen in Deutschland“ vorweisen könne, ist das, sagt Walter, „ein Alleinstellungsmerkmal“.

          Konkurrenz belebt das Geschäft

          Um diesen Anspruch zu realisieren, setzt der Kreis seit etwa einem Jahr auf eine „Public Private Partnership“ (PPP), die in Deutschland ihresgleichen sucht: Seit Oktober 2004 ist die Mannheimer SKE GmbH, ein Unternehmen der französischen Vinci-Gruppe, dafür zuständig, die 41 Schulgebäude im Westteil des Kreises, dem „Los West“, zu sanieren und zu bewirtschaften. Seit Januar 2005 hat der Essener Baudienstleister Hochtief die gleiche Aufgabe im Ostteil des Kreises, dem „Los Ost“, mit 49 Schulen übernommen. Beide haben dazu Projektgesellschaften gegründet, an denen der Kreis jeweils mit 5,1 Prozent beteiligt ist: die SKE Schul-Facility-Management GmbH in Langen und die Hochtief PPP Schulpartner GmbH in Heusenstamm.

          Weil Konkurrenz das Geschäft belebt, hatte der Kreis sich entschieden, zwei Lose zu bilden. Beide Lose waren europaweit ausgeschrieben worden. Die Verträge haben eine Laufzeit von jeweils 15 Jahren. Erfahrungen mit privaten Partnern hatte der Kreis unter anderem schon beim Bau des 2002 bezogenen Kreishauses in Dietzenbach und beim Übergang des Betriebs der früheren Kreiskliniken Langen und Seligenstadt 2002 an die Asklepios-Gruppe gesammelt.

          Fiktive Ersparnisse

          In finanziell schwierigen Zeiten sind „PPP“ und „Outsourcing“ nach Ansicht von Walter zwar „nicht das Allheilmittel“. Doch dort, wo private Unternehmen Aufgaben kostengünstiger und besser erledigten als die öffentliche Hand, sollten sie das auch tun. Die Vorteile des PPP-Projekts drücken sich nach den Berechnungen des Kreises in Euro und Cent aus: Auf rund 782 Millionen Euro beläuft sich das Volumen des Schul-Projekts während der gesamten Laufzeit eine gigantische Summe, die allerdings um 177 Millionen Euro höher läge, würde der Kreis die Leistungen in Eigenregie erbringen. Auf Hochtief entfallen knapp 412 Millionen Euro bei einer Ersparnis für den Kreis von 89 Millionen Euro. SKE ist mit 370 Millionen Euro dabei; hier muß der Kreis fast 89 Millionen Euro weniger ausgeben.

          Freilich sind dies fiktive Ersparnisse, denn ob der Kreis derartige Summen auf herkömmliche Weise aufgebracht hätte, ist angesichts tiefroter Zahlen in seinem Haushalt fraglich: Für 2006 wird ein Defizit von 56,2 Millionen Euro ausgewiesen, der Fehlbetrag des Jahres 2003 ist darin enthalten. Auch die PPP-Lösung bedeutet einen Kraftakt; gleichwohl gelang es, im Kreistag eine große Mehrheit für die Zusammenarbeit mit privaten Partnern zu finden: Allein die Grünen lehnten das Projekt wegen der damit verbundenen finanziellen Belastung ab.

          Auf 200 Millionen Euro bezifferte Walter einmal den über Jahre aufgelaufenen „Investitionsstau“ an den Schulgebäuden, bevor mit dem PPP-Projekt begonnen wurde. Zu sehen war dies, wenn es bei Regen durch Flachdächer tropfte oder der Wind durch marode Fenster pfiff. In den kameralistischen Kreishaushalten wurde der damit einhergehende Wertverlust der Schulimmobilien aber nicht abgebildet. 2006 zahlt der Kreis 29,5 Millionen Euro an Hochtief und 27,3 Millionen an SKE; in den folgenden Jahren werden die Raten eine ähnliche Größenordnung erreichen. Beide Unternehmen haben sich verpflichtet, alle Schulgebäude innerhalb von fünf Jahren zu sanieren. Das kostet am Anfang mehr, als der Kreis zahlt. Weil die Raten des Kreises aber auch nach der Sanierungsphase konstant bleiben, rechnet sich PPP trotzdem für Hochtief und SKE.

          „Haus des lebenslangen Lernens“

          Darüber hinaus investiert der Kreis noch weitere Beträge in den Schulen: So soll ein Neubau für die Merianschule, eine Haupt- und Realschule, in Seligenstadt in einer „Public Private Partnership“ mit der Ed. Züblin/Südleasing AG entstehen; gemeinsam mit Sanierung und Umbau des Einhardgymnasiums kostet dies 31,3 Millionen Euro. 6,8 Millionen sind für das „Bildungszentrum West“ auf dem Gelände der Wilhelm-Hauff-Grundschule in Neu-Isenburg aufzuwenden. Zahlreiche Schulen werden räumlich darauf vorbereitet, künftig zusätzliche Betreuungsangebote zu machen.

          Für rund 9,3 Millionen Euro läßt der Kreis von SKE vier Schulsporthallen in Mühlheim, Heusenstamm, Langen und Mainhausen errichten. In Dreieich soll zudem das „Haus des lebenslangen Lernens“ entstehen, das die OFB-Projektentwicklungs-GmbH, Frankfurt, errichten wird. Den Gebäudekomplex will der Kreis später für verschiedene Bildungsinstitutionen mieten.

          Beim PPP-Projekt zur Sanierung und Bewirtschaftung der Schulgebäude hat der Kreis eine Vorreiterrolle übernommen. Auch andere Städte darunter Berlin, Hamburg, Freiburg und Kreise interessierten sich für die bisher gemachten Erfahrungen. In mehr als 100 Vorträgen erläuterte Walter den eingeschlagenen Weg; die Reisen führten ihn durch ganz Deutschland und bis nach London. Selbst aus Frankreich und Finnland waren schon Delegationen im Kreis zu Gast, um sich über PPP zu informieren.

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