Kita des Jahres : Inklusion fängt schon im ganz Kleinen an
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Aufwärtsstrebend: Auszeichnung der Kita St. Sebastian für die Integration behinderter Kinder. Bild: dpa
In der katholischen Kindertagesstätte St. Sebastian in Eppertshausen werden Entscheidungen von Betreuern und Kindern gemeinsam getroffen. Auch deshalb ist sie jetzt Kita des Jahres.
Alle wuseln durcheinander. Es wird fröhlich gequatscht, gesungen und erzählt. Mal sitzen alle auf einem Haufen, mal zu zweit oder dritt am Tisch. In der einen Ecke wird gebastelt, in der anderen mit Sand gespielt und mit Wasser experimentiert, einen Stock höher gemeinsam gelesen, gerechnet und sogar gekocht. So richtig still ist es nur für einen kurzen Moment, als das Platzen eines Luftballons alle zusammenzucken lässt. Danach geht es genauso laut und bunt weiter wie zuvor. „Ein ganz schönes Chaos und wildes Durcheinander, könnte man meinen“, sagt Gerlinde Ries-Schemainda, Leiterin der katholischen Kindertagesstätte St. Sebastian in Eppertshausen. „Es hat aber alles seine Ordnung, und wird es den Kindern dann doch mal zu viel, suchen sie sich schon selbständig einen Rückzugsort.“
Vieles läuft in der Kindertagesstätte St. Sebastian anders als in anderen Kitas. Vielleicht sogar besser, denn diese Kita wurde mit dem Preis „Kita des Jahres 2019“ ausgezeichnet. Bei dem Wettbewerb hatten bundesweit 1600 Kindertagesstätten mitgemacht.
Gemeinsame Gestaltung
Die zweistöckige Kita mit weitläufigem Garten ist zweite Heimat für rund 120 Kinder. Sie werden in zwei Krippen- und fünf Kindergartengruppen von 25 Erzieherinnen und Erziehern betreut. Klingt erst mal nicht außergewöhnlich, und auch auf den ersten Blick scheint die Kita wie jede andere: Das Außengelände mit Kletterbäumen und Rutschen ist eingezäunt, damit keines der Kinder versehentlich ausbüchsen kann.
Drinnen stehen Kisten randvoll mit Spielzeug, Regale, in denen sich Bücher stapeln und Tische und Bänke, so niedrig, dass nur Kinder gemütlich daran sitzen können. Die zahlreichen Gruppenräume sind alle in unterschiedlichen Farben gestrichen, lila, blau, gelb. Die Wände außerdem mit Selbstgemaltem und -gebasteltem beklebt. „Hier wird schon der erste Unterschied zu vielen anderen Einrichtungen deutlich“, sagt Ries-Schemainda. „Die einzelnen Gruppenräume wurden nämlich gemeinsam mit den Kindern gestaltet.“
Kinderbeirat gegründet
Es gehe ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen nicht darum, einen besonders schönen Raum aus der Sicht eines Erwachsenen zu schaffen: perfekt eingerichtet, farblich aufeinander abgestimmte Dekoration. Es sei viel wichtiger, Räume für die Kinder und vor allem mit den Kindern zu gestalten. Es würden auch sonst immer Wege gesucht, die Wünsche der Kinder in den Vordergrund zu stellen und zu erfüllen, sagt Ries-Schemainda.
Damit das klappt, hält die Kita wöchentlich beispielsweise eine Kinderkonferenz ab, in der die Kleinen Anregungen und Ideen einbringen dürfen, aber auch Ängste und Sorgen äußern können. Außerdem wurde auf Wunsch der Kinder ein Kinderbeirat gegründet – einen Elternbeirat gebe es ja schließlich auch. Der Kinderbeirat besteht aus 20 Mädchen und Jungen, vier aus jeder Gruppe, Raffael ist eines von ihnen.
So realitäts- und naturnah wie möglich
Der Fünfjährige hat sich für die lila Gruppe aufstellen lassen, „weil er gerne Geburtstag feiert und gute Ideen hat“. Und diese guten Ideen braucht er, wenn es beispielsweise darum geht, bei der Planung von Festen zu helfen. Sein Kindergartenkumpel Ben hat ihm dabei kräftig geholfen, er war nämlich Protokollant. Fleißig hat er aufgemalt, welche Mottos für das große Sommerfest im Juni vorgeschlagen wurden. Zur Wahl standen: „Pony und Einhorn“, „Regenbogen“, und „Bobbycar“. Sich selbst habe er auch dazugemalt, mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf, schließlich habe er dabei ja viel denken müssen. „So werden die Kinder in Entscheidungen miteinbezogen und nicht einfach über ihre Köpfe hinweg entschieden“, sagt Veronique Braun, stellvertretende Leiterin der Kita.