https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/kita-des-jahres-kommt-aus-dem-hessischen-eppertshausen-16211370.html

Kita des Jahres : Inklusion fängt schon im ganz Kleinen an

  • -Aktualisiert am

Aufwärtsstrebend: Auszeichnung der Kita St. Sebastian für die Integration behinderter Kinder. Bild: dpa

In der katholischen Kindertagesstätte St. Sebastian in Eppertshausen werden Entscheidungen von Betreuern und Kindern gemeinsam getroffen. Auch deshalb ist sie jetzt Kita des Jahres.

          4 Min.

          Alle wuseln durcheinander. Es wird fröhlich gequatscht, gesungen und erzählt. Mal sitzen alle auf einem Haufen, mal zu zweit oder dritt am Tisch. In der einen Ecke wird gebastelt, in der anderen mit Sand gespielt und mit Wasser experimentiert, einen Stock höher gemeinsam gelesen, gerechnet und sogar gekocht. So richtig still ist es nur für einen kurzen Moment, als das Platzen eines Luftballons alle zusammenzucken lässt. Danach geht es genauso laut und bunt weiter wie zuvor. „Ein ganz schönes Chaos und wildes Durcheinander, könnte man meinen“, sagt Gerlinde Ries-Schemainda, Leiterin der katholischen Kindertagesstätte St. Sebastian in Eppertshausen. „Es hat aber alles seine Ordnung, und wird es den Kindern dann doch mal zu viel, suchen sie sich schon selbständig einen Rückzugsort.“

          Vieles läuft in der Kindertagesstätte St. Sebastian anders als in anderen Kitas. Vielleicht sogar besser, denn diese Kita wurde mit dem Preis „Kita des Jahres 2019“ ausgezeichnet. Bei dem Wettbewerb hatten bundesweit 1600 Kindertagesstätten mitgemacht.

          Gemeinsame Gestaltung

          Die zweistöckige Kita mit weitläufigem Garten ist zweite Heimat für rund 120 Kinder. Sie werden in zwei Krippen- und fünf Kindergartengruppen von 25 Erzieherinnen und Erziehern betreut. Klingt erst mal nicht außergewöhnlich, und auch auf den ersten Blick scheint die Kita wie jede andere: Das Außengelände mit Kletterbäumen und Rutschen ist eingezäunt, damit keines der Kinder versehentlich ausbüchsen kann.

          Drinnen stehen Kisten randvoll mit Spielzeug, Regale, in denen sich Bücher stapeln und Tische und Bänke, so niedrig, dass nur Kinder gemütlich daran sitzen können. Die zahlreichen Gruppenräume sind alle in unterschiedlichen Farben gestrichen, lila, blau, gelb. Die Wände außerdem mit Selbstgemaltem und -gebasteltem beklebt. „Hier wird schon der erste Unterschied zu vielen anderen Einrichtungen deutlich“, sagt Ries-Schemainda. „Die einzelnen Gruppenräume wurden nämlich gemeinsam mit den Kindern gestaltet.“

          Kinderbeirat gegründet

          Es gehe ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen nicht darum, einen besonders schönen Raum aus der Sicht eines Erwachsenen zu schaffen: perfekt eingerichtet, farblich aufeinander abgestimmte Dekoration. Es sei viel wichtiger, Räume für die Kinder und vor allem mit den Kindern zu gestalten. Es würden auch sonst immer Wege gesucht, die Wünsche der Kinder in den Vordergrund zu stellen und zu erfüllen, sagt Ries-Schemainda.

          Damit das klappt, hält die Kita wöchentlich beispielsweise eine Kinderkonferenz ab, in der die Kleinen Anregungen und Ideen einbringen dürfen, aber auch Ängste und Sorgen äußern können. Außerdem wurde auf Wunsch der Kinder ein Kinderbeirat gegründet – einen Elternbeirat gebe es ja schließlich auch. Der Kinderbeirat besteht aus 20 Mädchen und Jungen, vier aus jeder Gruppe, Raffael ist eines von ihnen.

          So realitäts- und naturnah wie möglich

          Der Fünfjährige hat sich für die lila Gruppe aufstellen lassen, „weil er gerne Geburtstag feiert und gute Ideen hat“. Und diese guten Ideen braucht er, wenn es beispielsweise darum geht, bei der Planung von Festen zu helfen. Sein Kindergartenkumpel Ben hat ihm dabei kräftig geholfen, er war nämlich Protokollant. Fleißig hat er aufgemalt, welche Mottos für das große Sommerfest im Juni vorgeschlagen wurden. Zur Wahl standen: „Pony und Einhorn“, „Regenbogen“, und „Bobbycar“. Sich selbst habe er auch dazugemalt, mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf, schließlich habe er dabei ja viel denken müssen. „So werden die Kinder in Entscheidungen miteinbezogen und nicht einfach über ihre Köpfe hinweg entschieden“, sagt Veronique Braun, stellvertretende Leiterin der Kita.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Öltanker im Hafen von Noworossiysk, einer der größten Anlagen für Öl und Erdölprodukte in Südrussland

          Marode Großschiffe : Russlands Schattenflotte bedroht die Meere

          Russlands Regierung will Öl exportieren. Westliche Konzerne aber dürfen die dafür benötigten Tanker nicht versichern. So fahren hunderte Schiffe, die kaum seetüchtig sind.
          Olaf Scholz auf dem Gipfel der Europäischen Politischen Union in der Republik Moldau, einen Tag, bevor die AfD in einer Umfrage mit seiner SPD gleichzog.

          Olaf Scholz und die AfD : Kanzler des Streits

          Mit einer Politik des Respekts wollte Olaf Scholz die AfD kleinmachen. Jetzt sind die Extremisten in den Umfragen so stark wie selten zuvor. Wie konnte es so weit kommen?

          Marco Rose im RB-Kosmos : Ein Trainer made in Leipzig

          Marco Rose ist für Rasenballsport Leipzig mittlerweile mehr als nur der Trainer. Das hängt auch mit seiner Vorgeschichte zusammen. Er ist eben einer für alle, Traditionalisten wie Neulinge.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.