Justiz : Kanther will noch einmal kämpfen
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Wegen der CDU-Spendenaffäre zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt: Kanther Bild: AP
Strafbare Untreue oder nur „politischer Fehler“: Am Bundesgerichtshof wird über die Revisionsanträge der wegen Untreue und Beihilfe verurteilten Manfred Kanther und Horst Weyrauch entschieden.
Das Geld sollte mündelsicher und langfristig angelegt werden. Mit einer solchen Laufzeit hatte das Dreigestirn aber wohl kaum gerechnet. 23 Jahre, nachdem der damalige Generalsekretär der hessischen CDU, Manfred Kanther, Schatzmeister Casimir Prinz Wittgenstein und Finanzberater Horst Weyrauch in einem Büro der Frankfurter Metallbank austüftelten, wie ein stolzes, aber nur ihnen bekanntes Vermögen den Begehrlichkeiten der Partei und den strengeren Sitten der Parteifinanzierung entzogen werden könne, wird der Bundesgerichtshof - womöglich - das Schlußwort in dieser für die CDU immer noch etwas delikaten Affäre sprechen.

Ressortleiter des Regionalteils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Am Mittwoch ist in Karlsruhe die Verhandlung anberaumt, am 11. oder 18. Oktober werden die Richter entscheiden, ob sie den Revisionsanträgen der wegen Untreue und Beihilfe verurteilten Kanther und Weyrauch stattgeben. Falls ja, kommt es zu einem neuen Prozeß. Falls nicht, steht das Urteil des Wiesbadener Landgerichts fest. Die Staatsanwaltschaft hatte kein Rechtsmittel eingelegt, das Gericht hatte im April 2005 ihre Strafanträge noch übertroffen: eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen den ehemaligen Bundesinnenminister Kanther, eine hohe Geldstrafe wegen Beihilfe gegen Weyrauch. Das Verfahren gegen den 88 Jahre alten Prinz Wittgenstein war Ende vergangenen Jahres wegen schwerer Erkrankung endgültig eingestellt worden.
20 Millionen Euro „Strafgeld“ für die CDU
Die Richter in Karlsruhe haben einen halben Tag veranschlagt, um mit Bundesanwälten und Verteidigern darüber zu diskutieren, wo die Grenze zwischen „politischem Fehler“, den Kanther nur einräumen mag, und der strafrechtlich womöglich sehr „teuren“ Gefährdung des ihnen anvertrauten Parteivermögens zu ziehen ist. Das Wiesbadener Landgericht hatte die rund 20 Millionen Euro „Strafgeld“, die der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) gegen die CDU verhängte, weil in den Rechenschaftsberichten der Partei das hessische Geheimvermögen fehlte, als Schaden im Sinne einer strafrechtlichen Untreue betrachtet. Was kein zivilrechtliches Nachspiel haben wird, denn die CDU hat auf Regreßforderungen gegen Kanther, ehemaliges Mitglied im Bundesvorstand, verzichtet - zu ungewiß ist die Erfolgsaussicht, kaum kalkulierbar der weitere politische Schaden für die Partei.
Der kompakte juristische Exkurs in Karlsruhe steht im Gegensatz zum langatmigen Prozeß in erster Instanz vor dem Wiesbadener Landgericht, der sich acht Monate hingezogen hatte. Nahezu die gesamte Führungsriege der hessischen CDU aus den achtziger und neunziger Jahren war als Zeugen geladen. Immerhin, die pikante Geschichte wurde gründlich aufgearbeitet. Im nachhinein, da sich die gröbsten Spekulationen über Verbindungen zur Spendenaffäre um Alt-Kanzler Helmut Kohl und die angebliche Mitwisserschaft von Roland Koch als Kanthers Nachfolger im Vorsitz der hessischen Union verzogen haben, wirkt sie eher dreist, denn ausgeklügelt - und vom Gefühl getragen, in der hessischen CDU unantastbar zu sein.
Mit Geldkoffern in die Schweiz
Im Dezember 1983 - wenige Tage vor Inkrafttreten des neuen Parteiengesetzes mit seinen strengeren Regeln als Reaktion auf die sogenannte Flick-Affäre - lagen 21 Millionen Mark auf mit Chiffre verklausulierten Konten - gespeist aus diffusen Quellen. Kanther ist im Prozeß zumindest nicht die Darstellung zu widerlegen gewesen, das Geld stamme zum größten Teil aus kleinen Spenden, Mitgliederbeiträgen und höheren staatlichen Kostenerstattungen nach erfolgreichen Wahlkämpfen. Daß es von der „Staatsbürgerlichen Vereinigung“, die als Spendenwaschanlage in Verruf geriet, „geparkt“ worden sein könnte, ist eine nie zu beweisende Vermutung in dem Strafverfahren geblieben.
Weyrauch brachte das Kapital kofferweise in die Schweiz, Kanther und Wittgenstein riefen bei Bedarf auf gleichem Wege Geld zurück, der Landesverband und der Kreisverband Frankfurt profitierten vor allem. 1993 - wiederum war das Parteiengesetz verschärft worden - wurde noch eine Stiftung in Liechtenstein namens Zaunkönig dazwischengeschaltet. Seltsamerweise blieb der „Honigtopf im Süden“, von dem Prinz Wittgenstein einmal sibyllinisch sprach, bis Ende 1999 unentdeckt. Eine der wenigen kritischen Nachfragen in der Partei, wo die Zuschüsse für Immobilienkauf oder Wahlkampf herkämen, erstickte Wittgenstein mit der perfiden Lüge, es handele sich um „jüdische Vermächtnisse“, mehr dürfe er nicht verraten.
Mutmaßungen über Mitwisser sind bis heute Mutmaßungen geblieben. Nur Franz-Josef Jung, heute Verteidigungsminister, mußte auf Verlangen des damaligen Koalitionspartners FDP im Herbst 2000 ein politisches Bauernopfer bringen, weil die Zweifel immer lauter wurden, er, der machtvolle Generalsekretär, habe von allem nichts geahnt. Manfred Kanther, so ist zu hören, empfinde die Verurteilung immer noch als Ungerechtigkeit. Der Siebenundsechzigjährige, der im Politiker-Ruhestand als Anwalt arbeitet, wolle in Karlsruhe kämpfen. Zu einer Stellungnahme sei er vor dem Prozeß nicht bereit, hieß es in seinem Büro.