
Hessen und die Windkraft : Ideologie im Amtsblatt
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Abgeschlagen: Ein Storch, dem ein Windkraftrotor den Flügel so stark beschädigte, dass Tierärzte ihn abnehmen mussten Bild: dpa
Die Energieerzeugung habe Vorrang vor Artenschutz, steht in einer hessischen Vorschrift. Sie entfalte „gegenüber Gerichten keine Bindungswirkung“, stellt nun der Verwaltungsgerichtshof fest. Eine Schlappe nicht nur für zwei Grünen-Minister.
Der Ausbau der Windkraft benötige „einen neuen Schub“, forderte Mathias Wagner, der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Hessischen Landtag, zu Beginn des Jahres. Doch der erste Versuch der dafür verantwortlichen Parteifreunde endet mit einer Blamage. Die Erzeugung von Energie habe Vorrang vor dem Artenschutz, steht in einer Verwaltungsvorschrift, die Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Umweltministerin Priska Hinz zu Anfang des Jahres gemeinsam auf den Weg brachten. Sie entfalte „gegenüber Gerichten keine Bindungswirkung“, stellt jetzt der Hessische Verwaltungsgerichtshof dazu nüchtern fest. Damit ist der Erlass schon wenige Wochen nach dem Inkrafttreten Makulatur. Ausgerechnet die beiden Grünen-Politiker mit der größten Regierungserfahrung erleiden auf ungeahnte Weise Schiffbruch.
Um mehr Windräder zu ermöglichen, wollten die Minister beispielsweise den Mindestabstand zwischen den Rotoren und dem Horst des Rotmilans von 1500 auf 1000 Meter verringern. Diese Einschränkung des Artenschutzes ist drastisch. Außerdem sind die methodischen Unzulänglichkeiten der fachlichen Begründung so abenteuerlich, dass die Richter den Urhebern der Vorschrift die korrekte Einhaltung wissenschaftlicher Standards absprechen.
Methodische Fehlleistungen
Ihr vernichtendes Urteil schadet den Grünen gerade im Moment. In der Umweltdebatte spielen die Erkenntnisse der Naturwissenschaften eine viele größere Rolle als bei den meisten anderen Themen. Dies gilt insbesondere in Zeiten, in denen der Klimawandel geleugnet wird. Dass ausgerechnet der sogenannten Ökopartei in diesem Zusammenhang höchstrichterlich gravierende fachliche und methodische Fehlleistungen attestiert werden, schwächt ihre Argumentationsbasis.
In der Auseinandersetzung über die Errichtung von Windrädern auf dem Taunuskamm geht es beispielsweise um die Frage, ob das Projekt das Grundwasser gefährdet. Kann man sich in so sensiblen Zusammenhängen wirklich darauf verlassen, dass die zuständigen Kabinettsmitglieder der Grünen sich dazu kompetent und sachorientiert äußern? Der vom Verwaltungsgerichtshof verworfene Erlass nährt die vorhandenen Zweifel. Er ist dem Ruf der gesamten Landesregierung abträglich.
In ihrer Verzweiflung darüber, dass der Ausbau der Windkraft nicht vorankommt, haben die Grünen sich nur an ihren parteipolitischen Zielen orientiert, statt auf der Basis fundierter Erkenntnisse nach einer rechtssicheren und für alle Beteiligten verträglichen Lösung zu suchen. So fand die pure Ideologie ungefiltert Eingang ins Amtsblatt.