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Histaminarme Weine : Eine Mischung aus Eigennutz und Marktanalyse

  • -Aktualisiert am
Wurde mit ihren Weinen in den „Wein Gault Millau 2011” aufgenommen: Monika Maria Eller aus Bad Soden

Wurde mit ihren Weinen in den „Wein Gault Millau 2011” aufgenommen: Monika Maria Eller aus Bad Soden Bild: Michael Kretzer

Eine Jungunternehmerin aus Bad Soden entwickelt aus ihrer Histamin-Intoleranz eine Idee: Sie handelt nun mit Wein, den sie selbst verträgt.

          3 Min.

          Ein Glas Cabernet Sauvignon, und der Abend ist ruiniert. Selbst von geringen Mengen Rotwein bekommt Monika Maria Eller Magenprobleme. Histamin-Intoleranz lautete die Diagnose des Arztes: Es mangelt ihr an Enzymen zum Abbau von Histamin, einem biogenen Stoff, der bei der alkoholischen Gärung entsteht. Vor allem Rotwein hat es in sich.

          Eller hat Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing studiert und aus ihrem Leiden eine Geschäftsidee entwickelt: Seit Oktober vertreibt sie von Bad Soden aus Rot-, Weiß- und Perlweine, die besonders bekömmlich sein sollen. „Ellers Finest Selection“ heißt die Serie, die sie unter www.ellerwein.de im Internet anbietet.

          Die Kundenkartei soll der Zeitgeist speisen - immer mehr Menschen klagen über allergieähnliche Symptome durch Weinkonsum. Leiden wie Hautrötungen, Kopfschmerzen oder Sodbrennen können neben Histaminen auch durch Gerbstoffe oder einen hohen Säuregehalt verursacht werden. Wie viele Weintrinker an Unverträglichkeiten oder gar Allergien leiden, ist unklar. „Das Thema ist bislang kaum untersucht“, sagt Claudia Stein-Hammer, wissenschaftliche Leiterin der Deutschen Weinakademie in Mainz. Irgendwie sei die Grenze zwischen Unverträglichkeit, Schwips und Kater ja auch schwer zu definieren.

          Als der Magen Ruhe gab

          Pionierarbeit leisten derzeit Wissenschaftler des Instituts für Molekulare Biophysik in Mainz: Erstmals erforschen sie das allergische Potential von Wein im Zusammenhang mit Proteinen. Unverträglichkeiten wiederum sind Weinhändlern durchaus bekannt: „Vor allem Histamine sind ein Thema“, bestätigt Robert Mayer, Inhaber von „Jacques Weindepot“ im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Anders als die Geschäftsfrau aus Bad Soden hat die Zentrale des Franchise-Unternehmens in Düsseldorf aber noch keine spezielle Serie im Sortiment.

          Eigentlich habe sie sich immer selbständig machen wollen, erzählt die 40 Jahre alte Eller. „Ich wusste nur nicht, womit.“ Dann probierte sie vor einigen Jahren den Wein, der auf dem Gut der Familie ihres Mannes bei Mainz produziert wird, und war überrascht: Ihr sonst so rebellischer Magen verhielt sich auch nach mehreren Schluck Rotwein ruhig. Weil der Wein besonders schonend produziert werde, sagt Eller, sei er viel verträglicher und habe weniger Säure als ein herkömmlicher. Das müsse sich doch vermarkten lassen, dachte sie. Eine Mischung aus „Eigennutz und Marktanalyse“ habe schließlich „Ellers Finest Selection“ ergeben.

          Für den Perlwein, den Sekt und die zehn Weine des Sortiments habe der Winzer sein önologisches Verfahren noch verfeinert, weiß Eller zu berichten. Die Beigabe saurer Tonerde soll den Histamingehalt sehr stark reduzieren. Um Gerbstoffe zu vermeiden, werden die zu Maische zerkleinerten Trauben so schonend behandelt, dass die Kerne unbeschädigt bleiben, wie sie weiter sagt. Über das Internet können Kunden einen Termin zur Probe ausmachen oder die Flaschen direkt ordern. Die Preise für die Weine und den Prosecco liegen bei acht Euro je Flasche, der Sekt kostet 20 Euro. Eller hat insgesamt 35 000 Euro eigenes Kapital investiert - zwei Drittel der Summe für die Ware, der Rest sei in das Marketing und den Internetauftritt geflossen. Es wird sich zeigen, ob sich die Investition lohnt.

          In den „Wein Gault Millau 2011“ aufgenommen

          Noch lagern die Kisten in einer Garage mitten im beschaulichen Bad Soden. Der Kundenkreis sei noch überschaubar, genauer wird Eller nicht. Aber die Weinhändlerin hat viel vor im nächsten Jahr, sie will ihre Kollektion auf Messen präsentieren und Unternehmen Verkostungen anbieten. Auch internationale Tropfen möchte sie in ihr Sortiment aufnehmen. Und eine Frau des Marketing weiß, wie wichtig Kunden das Drumherum ist: Künftig gibt es Weinproben mit Bauhaus-Flair, denn die Ellers haben den Bungalow des Architekten Marcel Breuer in Wiesbaden gekauft und werden dort einen Raum zur Weinverkostung einrichten.

          Über die Bekömmlichkeit werden die Kunden entscheiden, lecker sind die Weine offenbar: Die Serie wurde in den „Wein Gault Millau 2011“ aufgenommen. Ellers „Acolon“, schreibt der Weinführer, zeige „vitale Beerigkeit, Schmelz und Energie, die zum nächsten Glas einlädt“. Hoffentlich konterkariert das Geschmackserlebnis nicht den magen-schonenden Effekt. Maß zu halten, rät Stein-Hammer von der Weinakademie übrigens allen Weintrinkern: „Wer nach zwei Flaschen Cabernet Sauvignon Kopfschmerzen bekommt, hat nicht unbedingt eine Histamin-Intoleranz, sondern einfach zu viel getrunken.“

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