Lockdown in Hessen : Unternehmen kritisieren neue Corona-Beschlüsse
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Leerstand: Viele Bürogebäude sind derzeit wie ausgestorben, so auch bei der Frankfurter DZ Bank. Bild: Frank Röth
Mit großer Sorge haben Vertreter hessischer Unternehmen die jüngsten Corona-Beschlüsse aufgenommen. Wenig Verständnis gibt es vor allem beim Thema Homeoffice.
Überwiegend mit Sorge haben Vertreter der hessischen Wirtschaft auf die jüngsten Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz zu Corona reagiert. Für den Hessischen Industrie- und Handelskammertag ist mit der Verlängerung des Lockdowns bis mindestens 15. Februar ein „Kipppunkt erreicht“, wie Kammerpräsident Eberhard Flammer sagte. „Für viele betroffene Betriebe wirkt die wirtschaftliche Lage aussichtslos, ohne zu wissen, ob ihr Verzicht eine Wirkung auf die Infektionszahlen hat“, so Flammer. Viele Unternehmen in Hessen wüssten kaum noch, wie sie liquide bleiben sollten, die Fortschreibung pauschaler Geschäftsschließungen bis mindestens Mitte Februar sei vor diesem Hintergrund „sehr hart“.
Flammer sagte weiter, man dürfe den derzeitigen Stillstand nicht einfach verlängern. „Ohne die genaue Wirksamkeit der Corona-Regeln einschätzen zu können, greift die Politik lange und tief in die Wirtschaftstätigkeit ein“, beklagte der Unternehmer. Bei gleichzeitig schleppenden Hilfen sei das „eine ernste Gefahr für die Beschäftigung und Steuerkraft in Hessen“.
„Möglichkeiten von Homeoffice längst ausgereizt“
Kritik gab es aus den Reihen der hessischen Wirtschaft vor allem an der Verordnung des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD), wonach die Unternehmen noch mehr Homeoffice möglich machen sollten. Von der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände hieß es dazu, die neue Arbeitsschutzverordnung sei überflüssig, erzeuge Bürokratie und binde unnützerweise Kräfte, die für den Fortbestand der Wirtschaft dringend benötigt würden, wie der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung, Dirk Pollert, sagte. „Unsere Betriebe haben geliefert und ermöglichen überall dort Homeoffice, wo es die Arbeitsaufgabe zulässt.“ Kammerpräsident Flammer erinnerte daran, dass die Unternehmen die betrieblichen Erfordernisse am besten kennen würden und diese auch am besten gegen die Infektionsgefahr abwägen könnten.
Auch Vertreter zahlreicher Unternehmen aus der Region sagten am Mittwoch der F.A.Z., sie hätten die Möglichkeiten von Homeoffice längst ausgereizt. So ist die Präsenz von Mitarbeitern in den Büros beim Flughafenbetreiber Fraport „auf ein Minimum reduziert“, wie ein Sprecher versicherte. Vom Rüsselsheimer Autobauer Opel hieß es, schon seit März vergangenen Jahres arbeite „der weit überwiegende Teil der Beschäftigten, deren Tätigkeit es zulässt, von zu Hause aus“. Auch die Großbanken geben an, so weit wie möglich auf Homeoffice umgeschaltet zu haben. Bei der DZ Bank in Frankfurt arbeiten derzeit sogar etwa neun von zehn Mitarbeitern von zu Hause aus. Ausgenommen davon seien lediglich einige zentrale Einheiten wie der Kapitalmarkt, in denen eine Minimalbesetzung nötig sei.
Kritik an öffentlicher Verwaltung
Derweil beklagen viele Wirtschaftsverbände, dass die Politik nun mit dem Finger auf Unternehmen zeige, um die Ausbreitung von Infektionen zu erklären. Flammer etwa kritisierte, im Gegensatz dazu lasse die öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion vermissen und bestelle zu viele Beschäftigte noch in die Ämter ein. Auch der IT-Verband Bitkom sieht bei der öffentlichen Verwaltung den größten Handlungsbedarf. „Die meisten der fünf Millionen Beschäftigten der öffentlichen Hand könnten von ihrer Tätigkeit her auch zu Hause arbeiten, den wenigsten wird es bislang ermöglicht“, erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg.
Aus der Kreisverwaltung im Landkreis Darmstadt-Dieburg hieß es auf Anfrage, im Schnitt sei etwa die Hälfte der Angestellten, rund 500 Bedienstete, im Homeoffice. Das entspreche etwa der Hälfte der dafür geeigneten Arbeitsplätze. Ein Sprecher des Main-Taunus-Kreises sagte, von den 900 Arbeitsplätzen im Landratsamt und seinen drei Außenstellen, die Verwaltungsarbeit leisteten, hätten derzeit 315 die Möglichkeit, in unterschiedlichem Maß von zu Hause oder unterwegs aus zu arbeiten. Weitere 100 Arbeitsplätze sollen demnach noch entsprechend ausgestattet werden. Dann hätte annähernd jeder zweite Mitarbeiter die Möglichkeit, von außerhalb zu arbeiten. Allerdings wies der Sprecher darauf hin, die Kreisverwaltung mit vielen Dienstleistungen im direkten Bürgerkontakt, etwa die sozialen Dienste und das Gesundheitsamt, seien auch „nur bedingt mit den Bedingungen in der freien Wirtschaft zu vergleichen“.