Sinneswandel über Windkraft : Eine Gemeinde gegen Umzingelung von Rotoren
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Einnahmequelle: der Windpark im Heidenroder Ortsteil Laufenselden Bild: Michael Kretzer
Die Untertaunusgemeinde Heidenrod verdient gut an Windkraft. Sie ist mit 22 Rotoren Vorreiter bei der Windenergienutzung in ganz Südhessen. Doch nun soll Schluss sein.
Der Rheingau-Taunus-Kreis gilt als einer der windhöffigsten Landkreise in Hessen. Ausgedehnte rote Zonen auf der Windpotentialkarte des Landes veranschaulichen die Eignung größerer Flächen als Standorte für Windenergieanlagen. Doch nur in zwei der 17 Städte und Gemeinden wurden bislang Rotoren aufgestellt. In Hohenstein gibt es insgesamt fünf Windräder, in der benachbarten Gemeinde Heidenrod sogar 22. Während sich Hohenstein anfänglich heftig gegen Rotoren in seiner Gemarkung gewehrt hatte, sie dann aber doch nicht verhindern konnte, gab es in Heidenrod von Beginn an viel Sympathie für die Nutzung der Windenergie zum Nutzen des Gemeindeetats und die Bereitschaft, Standorte auch im Gemeindewald auszuweisen.
Nahe dem Ortsteil Zorn drehen sich zwei kleine, leistungsschwache Anlagen sogar schon seit 1998. Zwischen November 2014 und März 2015 wurde ein großer kommunaler Windpark aus zwölf Rotoren unweit der Bäderstraße (B 260) in Betrieb genommen. Drei weitere Rotoren liefern seit dem Jahresende 2018 bei Springen Windenergie.
Finanzschwache Gemeinde
Heidenrods Bürgermeister Volker Diefenbach (SPD), ein ehemaliger Förster, trat sogar bei Windkraft-Diskussionen im Rheingau auf, um dort den Bürgern die Sorgen zu nehmen und zu beschreiben, wie die Einnahmen das Wohlergehen der finanzschwachen Gemeinde fördern. Allerdings mit mäßigem Erfolg. Die Rheingauer Bürger blieben in ihrer großen Mehrheit ablehnend, und die Windkraftpläne für Geisenheim und Lorch scheiterten krachend.
Doch der Wind hat sich auch in Heidenrod gedreht. „Es reicht, wir haben unseren Beitrag geleistet. Das Land sollte nicht den örtlichen Konsens, der aufgebaut ist, zerstören“, heißt es überraschend kritisch aus der Gemeindevertretung. Obwohl in Heidenrod schon überproportional viele Windräder stehen und die Gemeinde weit mehr Strom erzeugt, als sie selbst verbraucht, sieht der aktuelle Teilplan Erneuerbare Energien des Regionalplans Südhessen weitere Windvorrangflächen in deren Gemarkung vor.
Die Gemeinde sieht sich als Musterknabe, der für seine Vorreiterrolle in der Region noch bestraft werden soll. Während andernorts nur geredet, diskutiert und verzögert werde, sei in Heidenrod gehandelt worden, heißt es in einer Resolution der Gemeindevertretung an das Land. Heidenrod hatte zudem frühzeitig einen eigenen Flächennutzungsplan mit Ausschlusswirkung beschlossen. Der ist nun in Teilen wieder Makulatur.
Strom reicht für 43.000 Haushalte
Heute gebe es fast zwei Dutzend Windräder, und Heidenrod sei zur Energie- und Klimaschutzkommune geworden, heißt es aus Heidenrod. Die Windräder lieferten mehr als 150.000 Megawattstunden Strom im Jahr und versorgten rechnerisch 43.000 Haushalte – bei 3500 Haushalten und 8000 Einwohnern in der Gemeinde selbst.
Zudem werde in Heidenrod noch grüner Strom aus einem Biomassekraftwerk und durch Photovoltaikanlagen erzeugt. In der Untertaunuskommune gibt es deshalb wenig Verständnis, dass die Stellungnahme der Gemeindevertretung zum Teilplan des Regionalen Raumordnungsplans ungehört bleibt. Trotz aller Erfolge würden die vorgetragenen Bedenken zur Seite gewischt und die bisherigen Leistungen „in keiner Weise gewürdigt“. Die Festsetzung weiterer Windvorranggebiete in Heidenrod über die im Flächennutzungsplan festgelegten Areale hinaus sei unverständlich und laufe den örtlichen Interessen zuwider.
Besonders ärgerlich ist für die Gemeinde neben dem „Egenrother Kopf“ die zweite künftige Vorrangfläche „Taubenkopf“ bei Kemel, weil ihre Nutzung zu einer Umzingelung des Ortsteils mit Rotoren führen würde. Zwar gehört der Wald der Gemeinde, aber Diefenbach sieht sich seiner Verlässlichkeit gegenüber den Bürgern durch das Regierungspräsidium beraubt: „Wir werden von hinten überrollt.“ Heidenrod hatte daher in der Vergangenheit mehrfach beantragt, diese Fläche zu streichen, zumal sie aus Gründen des Artenschutzes als hochwertig einzustufen sei. Ein Entgegenkommen aus Darmstadt gab es nicht.