Gemeinnützige Arbeit : Ein Tritt in den Hintern
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Türsteherin: Rachel Johnson leistet 120 Sozialstunden ab. Bild: Cornelia Sick
Immer öfter verurteilen Gerichte Täter bei geringfügigen Vergehen zu gemeinnütziger Arbeit. Rachel Johnson hat das geholfen. In der Evangelischen Wohnungslosenhilfe Mainz lernt sie, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen.
Am Tag, an dem Rachel Johnson festgenommen wird, feiert sie ihren 22. Geburtstag. Die Mainzerin hatte im März 2016 ein paar Freunde eingeladen. Die Stimmung ist ausgelassen, der Alkohol fließt in Strömen. Wenig später beschließt die Gruppe, mit der Straßenbahn in die Mainzer Innenstadt zu fahren. Dort wollen die jungen Erwachsenen feiern und tanzen gehen. Johnson ist ziemlich betrunken. „In der Bahn lief alles aus dem Ruder“, erinnert sich die Mainzerin. Ihre Freunde und sie geraten mit einer anderen Gruppe in Streit. Laut wird diskutiert, Schimpfworte fliegen durchs Abteil. Die Situation schaukelt sich hoch. Am Ende ruft der Bahnfahrer die Polizei.
Als die Beamten kurz darauf eintreffen, hat sich die Situation noch immer nicht beruhigt. Rachel Johnson ist wütend und zeigt sich wenig kooperativ. „Die Polizisten wollten meinen Ausweis sehen, aber ich habe die ganze Zeit auf ein ,Bitte‘ von den Beamten gepocht“, sagt die junge Frau. Nach langer und hitziger Diskussion haben die Beamten genug. Sie nehmen Johnson fest. Selbst in Handschellen beleidigt sie die Polizisten weiter.
Routine und Struktur in das eigene Leben bekommen
Es ist nicht das erste Mal, dass Rachel Johnson mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Sie ist im März 2016 schon wegen kleinerer Delikte vorbestraft. Darum kommt sie jetzt nicht so leicht davon. Wenige Monate später, im August 2016, verurteilt sie das Mainzer Jugendgericht wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 380 Euro. Außerdem muss sie die Kosten für Transport und Ingewahrsamnahme übernehmen.
Johnson, die orangefarbene Kunstnägel und ein Piercing über der Oberlippe trägt, hat das Geld nicht. Weil sie nicht innerhalb von drei Wochen zahlen kann, drohen ihr 20 Tage Gefängnis als sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe oder 120 Sozialstunden in einer gemeinnützigen Einrichtung. „Ich habe mich ein Stück weit bewusst für die Sozialstunden entschieden, damit ich endlich wieder Routine und Struktur in mein Leben bekomme“, sagt Johnson. Außerdem wird die gemeinnützige Arbeit nicht in das polizeiliche Führungszeugnis eingetragen.
Allein in Rheinland-Pfalz leisteten im Jahr 2015 fast 1400 jugendliche Straftäter gemeinnützige Arbeit in Krankenhäusern, Altenheimen und Behinderteneinrichtungen. In Hessen lag die Zahl bei etwa 1250.
Inzwischen machen immer mehr deutsche Gerichte von der Möglichkeit, Sozialstunden anzuordnen, Gebrauch, wie ein Sprecher des Justizministeriums Rheinland-Pfalz sagt. Sowohl Straftäter als auch gemeinnützige Organisationen könnten von solchen Sozialstunden profitieren. Außerdem dürfe ein derart Verurteilter meist in seiner häuslichen Umgebung bleiben und sich, falls er arbeitslos sei, in dieser Zeit um eine feste Arbeit bemühen. Gehe es hingegen um jugendliche Täter, solle eine solche Strafe den Heranwachsenden vor allem helfen, den Alltag zu strukturieren. Sozialstunden könnten außerdem die Justizvollzugsanstalten entlasten. Und gemeinnützige Einrichtungen würden bestenfalls durch die Straftäter unterstützt.