Teddybären im Notfall : Seelenretter aus Plüsch
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Trostspender: Diese Mädchen und Jungen sitzen am Montag nur Probe im Feuerwehrauto. Im Ernstfall sollen die Rettungsteddys Kinder beruhigen. Bild: Maximilian von Lachner
Feuerwehr und Sanitäter erhalten Hunderte Teddybären. Die Stofftiere kommen zum Einsatz, wenn Kinder verletzt sind. Sogar Zwölfjährigen helfen sie noch.
Sie sind braun, sie sind weich, und sie sind sehr, sehr viele. Fast 580 Rettungsteddys stapeln sich am Montag im Foyer der Bad Homburger Feuerwache. Das Stapeln ist möglich, weil die meisten Teddys in Kisten stecken, immer 24 in einer.
Der Job der Plüschtiere ist es, bei Notfalleinsätzen Seelenleben zu retten. Wenn ein Kind in Gefahr ist, können Feuerwehrleute und Rettungssanitäter im Hochtaunuskreis ihm jetzt einen etwa 25 Zentimeter großen Teddy in den Arm drücken. Die Erfahrungen in Frankfurt damit fand der Bad Homburger Branddirektor Daniel Guischard so überzeugend, dass er sich an das Aktionskomitee Kind im Krankenhaus (AKIK) wandte. Der Frankfurter Verein verteilt die Teddys. Wenn alle zum Einsatz gekommen sind, gibt es eine Ladung neue. Jedes Kind darf seinen Teddy behalten.
Die Tiere werden gebraucht, da ist sich Karin Schmidt sicher. Die Vorsitzende des Vereins berichtet, das Deutsche Rote Kreuz habe im Hochtaunuskreis jedes Jahr 1700 Einsätze mit Opfern unter 18 Jahren. Diese brauchten nicht alle einen Teddy zum Kuscheln und Beruhigen. Aber auch Zwölfjährige nähmen im Rettungswagen oft noch einen in den Arm. Die Rettungskräfte entscheiden, wann sie einen Teddy hervorziehen, der im Wagen parat liegt. „Es gibt Sanitäter, die geben ihn sofort aus.“ Andere setzten ihn gezielt ein, wenn ein Kind unruhig werde. Manchmal nutzten Psychologen später noch den Teddy als „negatives Souvenir“, um das Erlebte mit einem Kind zu verarbeiten.
„Einer verletzten kleinen Menschenseele erste Hilfe zu leisten ist etwas anderes“
Auf den meisten der 24 Teddypakete steht „DRK Hochtaunus“. 384 Bären gehen an das Deutsche Rote Kreuz. Die übrigen erhalten die Feuerwache Bad Homburg und die Malteser im Hochtaunus, die vor allem in Usingen und Umgebung Einsätze fahren.
Die Männer und Frauen aller drei Organisationen tragen bei der Übergabe Einsatzkleidung. So können die Vorschulkinder, die am Montag die Feuerwehr besuchen, die Nothelfer gut unterscheiden. „Wir haben die Kinder vorbereitet“, sagt Carola Weinheim, die stellvertretende Leiterin der kleinen städtischen Kita Engelsgasse. Alle Kinder haben einen Teddy bekommen. Es gibt die Tiere in Braun und Beige, mit grüner und brauner Schleife. „Die sind für die Kinder, die verletzt sind“, erklärt ein Mädchen. „Die Teddys helfen zu trösten. Weil – sie sind auch kuschelig.“ Die jungen Besucher selbst haben Trost gerade nicht nötig, und so kommen nun die Teddys ins Vergnügen liebevoller Pflege und ärztlicher Behandlung. „Das ist jetzt mein Baby“, sagt ein Mädchen und streichelt das wirklich sehr flauschige Fell des Stofftiers mit den bernsteinfarbenen Augen. Ein anderes Kind will den neuen Teddy zu Hause mit Spritze und Pflaster versorgen.
Branddirektor Guischard weiß, wie kostbar Kinderglück ist. Er zeigt durch die Glaswand der Wache auf die Straßenzeile gegenüber. Einen furchtbaren Brand habe es vor einiger Zeit dort in einem Gebäude gegeben, bei dem ein sechs Jahre altes Mädchen verletzt worden sei. „Die Familie hatte nur noch, was sie am Leib trug.“ Der Anblick sei ihm noch immer gegenwärtig, sagt Guischard: „Diese Bilder bleiben.“ Zwar habe die Feuerwehr schweres Rettungsgerät. „Aber einer verletzten kleinen Menschenseele erste Hilfe zu leisten ist etwas anderes.“ Deshalb sei er für die Teddys sehr dankbar. Der Dank geht auch an Karin Giersch: Sie und ihr Mann fördern den Teddyeinsatz seit zehn Jahren mit ihrer Frankfurter Stiftung.
Nächste Lieferung im Sommer
Die vier Frauen von AKIK tragen leuchtendes Orange. „Wir sind nicht die grünen Damen“, sagt Karin Schmidt in Anspielung auf andere Krankenhaushelferinnen. Aber auch die 50 bis 70 Ehrenamtlichen des Vereins unterstützen die Arbeit in Kliniken: Sie besuchen dort Kinder. Allerdings nicht im Hochtaunuskreis, wo es keine Kinderstation gebe. Um kleine Patienten von dort kümmern sich die Helferinnen etwa in Höchst. Auch Bürgermeister Oliver Jedynak (CDU) ist angetan. Weil er auch Feuerwehrdezernent von Bad Homburg ist, posiert er vor der Wache mit Guischard, Giersch und drei Teddys für ein Foto. Dann streicht er seinem Tier über das Fell und sagt: „Das ist doch toll!“
Hergestellt werden die Tiere vom Nürnberger Spielwarenunternehmen Bauer, aber zum Bedauern der Spender nicht in Deutschland, sondern in Fernost. Voriges Jahr blieb eine Teddyfracht im Panamakanal stecken. Zur Zeit dauert es zwölf Wochen, bis eine Lieferung eintrifft. Die nächste kommt im Sommer.
Bevor die Feuerwehr den Kitakindern noch ein Wunschessen serviert – Pommes und Geflügelwürstchen –, dürfen sie in einem Einsatzwagen Platz nehmen. Die Teddys sitzen auf den Schößen, und sie haben schon Namen. Die der Mädchen heißen Süßchen, Sternchen, Sterni und Sternschnuppe, die der Jungen Bärchen, Berni und Brian.