Vater des Hanau-Attentäters : Die Sorgen der Nachbarn
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Say their names: An der Wand eines Jugendzentrums in Hanau stehen die Namen der Opfer von Tobias R.. Bild: dpa
Der Vater des Attentäters von Hanau ist zurück in seinem Haus. Mit seinem Verhalten verunsichert er nicht nur seine Nachbarn, sondern auch die Angehörigen der Opfer.
„Wir sind in großer Sorge, wie das hier weitergehen soll“, sagt eine Anwohnerin der Helmholtzstraße in der Hanauer Weststadt. Seit dem 19. Februar dieses Jahres kommen die Anwohner des kleinen Reihenhausviertels nicht zur Ruhe. An diesem Abend erschoss der Hanauer Tobias R. wahllos neun Menschen mit ausländischen Wurzeln, danach tötete er seine kranke Mutter und sich selbst. Tobias R. wohnte mit seinen betagten Eltern in einem Haus in der Helmholtzstraße.
Die Nacht des Geschehens und die vielen Polizeiautos werden die Nachbarn nicht so schnell vergessen. Jetzt verursacht die Rückkehr des 73 Jahre alten Vaters nach einem längeren Krankenhausaufenthalt neue Unruhe unter den Anwohnern.
In einem Brief an die Polizei und die Stadt Hanau gibt die Anwohnergemeinschaft ihren Besorgnissen Ausdruck. Welche Möglichkeiten es gebe, die Anwohner vor dem Mann zu schützen, will man wissen, und wie die Polizei ausschließen könne, dass auch er Gewalttaten gegen Mitmenschen und vor allem solche mit Migrationshintergrund verüben könnte.
Mann soll mit „weiteren Opfern“ gedroht haben
Verunsichert hat die Nachbarschaft ein Artikel in Spiegel-Online von Mitte Dezember. Darin wird aus den eigentlich öffentlich nicht zugänglichen Ermittlungsakten zitiert. Danach vertritt der Vater die gleiche Ideologie von Rassismus und Verschwörungstheorien wie sein Sohn. Der Vater habe Strafanzeigen gegen die Sicherheitsbehörden sowie gegen Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) gestellt unter anderem wegen der Durchsuchung seines Hauses in der Tatnacht und der Beschlagnahme der Tatwaffe. In diesen Anzeigen äußere sich der Mann eindeutig rassistisch, hieß es. Auch soll er mit „weiteren Opfern“ gedroht haben.
Es ist aber nicht dieser Bericht allein, der die Bewohner der Helmholtzstraße umtreibt. Das Verhalten des Rentners sei unverschämt und unverfroren, sagt die Nachbarin. Man fühle sich von dem Mann bedrängt und beobachtet. Betroffen seien vor allem Familien, die in irgendeiner Form Migrationsbezüge hätten wie das Ehepaar mit einem farbigen Pflegekind. Nach der Rückkehr habe sich der Rentner einen Schäferhund angeschafft. Mit diesem streife er durch die kleinen Stichstraßen und bleibe immer wieder für längere Zeit vor Garagen oder Eingängen stehen. Auch verbale Attacken gegenüber Nachbarn habe es gegeben. Schon in der Vergangenheit sei er durch sein rüpelhaftes Gebaren aufgefallen. Von der Polizei sei man aber nicht enttäuscht, sie zeige mit Streifenfahrten regelmäßig Präsenz in der Helmholtzstraße. Es sei nur die Frage, ob das ausreiche.
Eine „tickende Zeitbombe“
Als eine „tickende Zeitbombe“ bezeichnet die Initiative 19. Februar den Vater des Attentäters. Nach den Worten von Sprecherin Nevroz Dumann reichte die Initiative eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizei ein. Gefragt wird ihren Angaben zufolge unter anderem, wie es möglich sei, dass der Vater mehrfach Anzeigen wie im „Spiegel“ geschildert erstattet habe, dies aber ohne jegliche Konsequenzen geblieben sei. Wie es möglich sei, dass trotz offensichtlicher Fremdgefährdung der Vater in seiner Wohnung bleiben dürfe, will man wissen. Wenn es nicht bald Antworten gebe, werde die Initiative eine Dauermahnwache in der Weststadt organisieren, um vor dem Tätervater zu warnen. Der Auftakt fand am Dienstag mit rund 40 Teilnehmern an der Ecke von Kantstraße und Helmholtzstraße unweit des Wohnhauses des Attentäters statt. Dabei wäre es nach Augenzeugenberichten beinahe zu einer Konfrontation zwischen dem Rentner und den Teilnehmern der Mahnwache gekommen. Der Mann sei mit seinem Schäferhund auf die Versammlung zugelaufen, sei aber von der Polizei aufgehalten worden.
Verständnis für die Bedenken der Angehörigen zeigt Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). Auch nach mehr als zehn Monaten seien viele Fragen über die Ereignisse der Schreckensnacht ungeklärt, sagte er. In der Pflicht seien nach wie vor die Ermittlungsbehörden bei Bund und Land. Dass die Aufklärung so schleppend verlaufe und so viele Fragen der Angehörigen nach wie vor nicht beantwortet seien, stelle ihr Vertrauen in den Staat auf eine harte Probe. Die Äußerungen und Forderungen des Vaters wie die Freigabe der seinerzeit gesperrten Internetseiten des Sohnes in Verbindung mit rechtem Gedankengut müssten bei den Behörden Alarmglocken angehen lassen. Doch habe die Justiz bisher keine Reaktion auf den „Spiegel“-Bericht gezeigt. Da es sich bei dem Vater nicht um eine „Person des öffentlichen Lebens“ handelt, geben Staatsanwaltschaft und Polizei allerdings keine Informationen über den Mann oder denkbare Ermittlungen preis.