Corona-Sonderdezernat : Auch Kriminelle arbeiten zu Pandemie-Zeiten anders
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Fall für das Corona-Sonderdezernat: gestohlene Schutzmasken wie diese hier Bild: dpa
Mit dem Corona-Sonderdezernat nimmt die Staatsanwaltschaft Darmstadt eine Vorreiter-Rolle ein. „Wir hätten nicht gedacht, welche neuen kriminellen Ideen sich in dieser Zeit entwickeln würden“, heißt es dort.
Die Corona-Pandemie hat nicht nur den Arbeitsalltag vieler Angestellter und Selbständiger verändert. Auch Kriminelle haben auf die Situation reagiert und sich neue Betätigungsfelder gesucht. Weil sie es seit Pandemiebeginn mit zahlreichen Delikten zu tun bekommen hat, die es so zuvor nicht gab, hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt nun sogar ein Corona-Sonderdezernat geschaffen. „Wir hätten nicht gedacht, welche neuen kriminellen Ideen sich in dieser Zeit entwickeln würden“, sagt Behördensprecher Robert Hartmann. Seit Mai jedoch kümmern sich zwei Staatsanwälte ausschließlich um Ermittlungen, die dem Themenkomplex zuzuordnen sind.
Damit hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt eine Vorreiter-Rolle in der Region inne. Denn weder in Frankfurt noch in Wiesbaden bestehen ähnliche Abteilungen. In Frankfurt sei auch nicht geplant, ein solches Dezernat einzurichten, sagte eine Sprecherin. Wiesbaden habe zwar eine Zunahme von Taten verzeichnet, die mit der Pandemie zusammenhängen, teilte ein Sprecher mit. Ein eigenes Dezernat sei jedoch mangels Kapazitäten nicht vorgesehen.
Niemand extra eingestellt
In Darmstadt entstand das Sonderdezernat auf Betreiben der Behördenleitung, sagte Hartmann. Extra eingestellt worden sei dafür allerdings niemand, die Aufgabe übernehmen zwei Staatsanwälte, die zuvor andere Delikte bearbeitet haben. Bekanntester Fall der Corona-Beamten: Die Ermittlungen zu einem Maskenpaket, das Oberbürgermeister Jochen Partsch (Die Grünen) erhalten hatte. Dem Stadtoberhaupt war Anfang Juli ein Päckchen mit augenscheinlich gebrauchten Mund-Nase-Masken zugeschickt worden. Partsch erstattete Anzeige gegen Unbekannt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung.
Der Fall liegt nun auf dem Tisch der Corona-Ermittler. Und auch, wenn inzwischen feststeht, dass an den Masken aus dem Paket keine Covid-19-Erreger feststellbar waren, gehen die Untersuchungen weiter, wie es aus der Behörde hieß: Es werde unter anderem ermittelt, ob sich ein Absender feststellen lasse. Gegründet worden ist das Darmstädter Corona-Dezernat jedoch nicht wegen der Masken-Ermittlungen. „Wir hatten zuvor schon zahlreiche Fälle“, sagt Hartmann. Unter anderem befassten sich seine Kollegen mit einer neuen Version des sogenannten Enkeltricks. Dabei werden vorwiegend Senioren von vermeintlichen Verwandten angerufen und um Geld gebeten. Erbaten die Anrufer vor Corona höhere Summen, um etwa Mietrückstände begleichen zu können, drehe sich die neue Masche oft um angebliche Arztkosten, die wegen einer Corona-Erkrankung des falschen Angehörigen angefallen seien, berichtet Hartmann.
Gepanschte Desinfektionsmittel
Diebstähle von Schutzmasken und Desinfektionsmitteln seien ebenfalls Fälle für das Sonderdezernat. Auch ermittelte die Abteilung bei Produktfälschungen in Zusammenhang mit der Pandemie. Dazu gehörten unter anderem gepanschte Desinfektionsmittel, die nicht wirken, oder Masken, die nicht den Schutz bieten, den sie versprechen. Verstöße gegen Kontaktverbote oder Körperverletzungsdelikte wie das Anhusten anderer Personen landen ebenfalls bei den Ermittlern. Nur Fälle von Subventionsbetrug in Zusammenhang mit Corona-Hilfen kommen aus internen Gründen zur Wirtschaftsabteilung.
Erfahrungen mit Sonderdezernaten hat man in Darmstadt schon früher gesammelt: Seit 2016 etwa gibt es ein eigenes für Heimspiele des Fußballvereins SV 98. Dessen Mitarbeiter kümmert sich aktuell um einen Vorfall, der vor wenigen Wochen Schlagzeilen machte. Bei Weiterstadt trafen sich sogenannte Fans der Darmstädter und von Eintracht Frankfurt zu einer organisierten Schlägerei. Nur kurz existierte dagegen ein Sonderdezernat, dass sich mit Vorfällen am Rand des Schlossgrabenfests 2018 beschäftigte: Seinerzeit war es zu Ausschreitungen im nahen Herrngarten gekommen, als zahlreiche Menschen teils mit Flaschenwürfen Polizisten angriffen.
Wie lange das Corona-Dezernat in Darmstadt bestehen bleibt, ist dagegen offen. „Das ist abhängig von der Entwicklung der Pandemie und den damit zusammenhängenden Fallzahlen“, erläutert Hartmann. Derzeit sei jedoch noch viel zu tun, man liege seit Mai „locker im dreistelligen Bereich“.