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OB-Stichwahl in Darmstadt : Wahl-Entscheidung über Autoverkehr und Gebühren

In der Stichwahl (von links): Michael Kolmer (Die Grünen) und Hanno Benz (SPD) am Wahlabend in der Darmstädter Centralstation. Bild: Michael Braunschädel

In der Darmstädter OB-Stichwahl stehen sich mit Michael Kolmer und Hanno Benz ein Grüner und ein Sozialdemokrat gegenüber. Zentrale Streitpunkte sind die Stadtfinanzen, die Klimapolitik und der Umgang mit dem Verkehr.

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          Viel hat nicht gefehlt, dann wäre bei der Oberbürgermeister-Stichwahl am Sonntag in Darmstadt Michael Kolmer als Vertreter der etablierten Grünen gegen Kerstin Lau von der Gruppe Uffbasse angetreten, die sich selbst als „aufrecht, spontan, subkulturell und eigenwillig“ versteht. Mit rund 19 Prozent lag die grob ökologisch-links einzuordnende Kandidatin Lau nur knapp hinter Hanno Benz von der SPD, der 20,6 Prozent der Stimmen bekam. So aber haben die Bürger nun die Wahl zwischen zwei vergleichsweise konventionellen Politikern. Beide Männer Anfang fünfzig, beide gebürtige Darmstädter und beide Familienväter.

          Jochen Remmert
          Flughafenredakteur und Korrespondent Rhein-Main-Süd.

          Naturgemäß interpretieren die Kandidaten das Wahlergebnis der ersten Runde, an der sich etwas mehr als die Hälfte der 113.726 Wahlberechtigten beteiligt hat, ganz unterschiedlich. So ist für Hanno Benz, Sohn des langjährigen SPD-Oberbürgermeisters Peter Benz, das Wahlergebnis, bei dem vier der zehn Angetretenen jeweils um die 20 Prozent der Stimmen erhielten, Beleg dafür, dass eine Mehrheit der Bürgerschaft einen Wechsel an der Rathausspitze will.

          Thema Klimawandel dominiert

          Der Grüne Kolmer wertet dagegen die 23,7 Prozent, die er im ersten Wahlgang eingefahren hat, schon einmal als persönlichen Erfolg. Die Tatsache, dass alle drei Kandidaten der Koalition aus Grünen, CDU und Volt zusammen mehr als 50 Prozent errungen haben, nimmt er zudem als Indiz dafür, dass er als Vertreter ebendieser Koalition am Sonntag gute Chancen hat, dem scheidenden Oberbürgermeister Jochen Partsch von den Grünen nachzufolgen. Dass CDU und Volt inzwischen dazu aufgerufen haben, Kolmer zu stützen, bestärkt ihn in dieser Hoffnung.

          Ungeachtet des zur Wahl stehenden politischen Personals dominiert das derzeit national und international beherrschende Thema Klimawandel mitsamt der Verkehrswende auch den Wahlkampf in Darmstadt. Benz hält Kolmer und den Grünen in dieser Sache eine Klientelpolitik vor und wirbt für sich als jemanden, der bei der Energiewende „alle entscheidenden Faktoren gleichzeitig im Auge“ habe, das Soziale, die Umwelt und die Wirtschaft. Nur so sei die nötige Akzeptanz zu erreichen.

          Kolmer hält dem Vorwurf die wirtschaftlichen Erfolge einer „ökologischen Realpolitik“ entgegen, die sich ebendieser ganzheitlichen Sicht verdankten und die unter Oberbürgermeister Partsch und seiner Mitwirkung in der Wirtschaftsförderung erarbeitet worden seien. Als die erste grün-schwarze Koalition nach der sozialdemokratisch geprägten Ära ihre Arbeit 2011 aufgenommen habe, sei Darmstadt dagegen finanziell praktisch handlungsunfähig gewesen. Seit 2012 habe die Stadt stets ausgeglichene Haushalte. Der Verschuldung von mehr als einer Milliarde Euro stünden Werte durch Investitionen gegenüber.

          Benz sieht Versäumnisse bei Verkehrspolitik

          Benz sieht dagegen die Finanzlage der Stadt geprägt von zu hohen Ausgaben, was sich auch in überhöhten Gebühren und Abgaben für die Bürgerschaft niederschlage, etwa in einer hohen Grundsteuer B und einer „Zwangsabgabe“ für die Bürgersteigreinigung.

          Versäumnisse sieht er auch in der Verkehrspolitik. Deswegen würde er als Oberbürgermeister sein Recht der Ressortzuteilung dazu nutzen, dem Mobilitäts- und Klimadezernenten Kolmer die Zuständigkeit für den Verkehr zu entziehen und diese an den Dezernenten Paul Wandrey von der CDU übertragen. Für Kolmer ist diese Ankündigung Beleg dafür, dass es Benz nicht um die Sache gehe, sondern nur um „Macht“. Denn inhaltlich zähle der Verkehr zu den zentralen Bestandteilen einer erfolgreichen Klimaschutzpolitik.

          Mit Blick auf die Nutzung der Darmstädter Konversionsareale hält Benz der Koalition und damit Kolmer vor, konventionellen Wohnungsbau zu betreiben, anstatt die Chance auf moderne Formen des Lebens und Arbeitens zu nutzen.

          Auch das sieht Kolmer anders und verweist darauf, dass es in Darmstadt unter grüner Führung gelungen sei, die Zahl der geförderten, für Einkommensschwächere bezahlbaren Wohnungen zu erhöhen, während in anderen Städten immer mehr Wohnungen aus der Förderung fielen.

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