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NSU-Mord in Kassel : Wie weit war der Verfassungsschutz darin verstrickt?

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Hessischer Tatort: In diesem Internet-Café in Kassel ist Halit Yozgat 2006 ermordet worden. Bild: dapd

Auch neun Jahre nach dem NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel sind viele Hintergründe der Bluttat unklar. Nun rückt der hessische Verfassungsschutz wieder in den Fokus. Anwälte vermuten, dass er womöglich von dem bevorstehenden Mordanschlag wusste.

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          Ein neues Detail zu dem NSU-Mord im Jahr 2006 in Kassel wirft weitere Fragen über die Rolle hessischer Verfassungsschützer auf. Im laufenden NSU-Prozess in München sehen Nebenklage-Anwälte neue Hinweise darauf, dass der Verfassungsschutz-Mitarbeiter Andreas T. über den Kasseler Mord der rechtsterroristischen Gruppe vorab informiert war. Die „Welt am Sonntag“ zitiert aus Beweisanträgen der Hamburger Anwälte, dass T. nicht nur - wie bekannt - 2006 am Tatort gewesen sei, sondern schon vorher konkrete Kenntnisse von der geplanten Tat, der Tatzeit, dem Opfer und den Tätern gehabt haben könnte.

          Eine zentrale Rolle spielt dabei laut Zeitung ein Telefonat von T. mit seiner Behörde, das von der Polizei abgehört wurde, nachdem er in Verdacht geraten war. Darin bereitet der Geheimschutzbeauftragte des Verfassungsschutzes den Kollegen auf die Vernehmung durch die Polizei vor und sagt dann: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, dann bitte nicht vorbeifahren.“ Dieser Satz soll in der ursprünglichen Polizeiabschrift des Telefonats nicht enthalten sein und sich zunächst nur auf dem Originalmitschnitt befunden haben. In dem Telefonat soll der Geheimschutzbeauftragte allerdings T. auch geraten haben: „So nah wie möglich an der Wahrheit bleiben.“

          Bouffier habe Polizei-Ermittlungen verhindert

          Der Mord an Halit Yozgat war der neunte und letzte in der Serie von Anschlägen gegen zugewanderte Kleinunternehmer aus der Türkei und Griechenland. Der Verfassungsschützer Andreas T. hat stets erklärt, zufällig am Tatort in Kassel gewesen zu sein. Zu der Zeit hatte er auch einen V-Mann aus der rechten Kasseler Szene geführt.

          Die Nebenklage-Vertreter im NSU-Prozess haben der „Welt am Sonntag“ zufolge auch beantragt, Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) als Zeugen vorzuladen. Bouffier war 2006 noch Innenminister des Landes. Er habe die Sperrerklärung erlassen, so dass die Quellen von Andreas T. nicht vernommen werden konnten. Bouffier habe damit weitere polizeiliche Ermittlungen verhindert.

          Zu dem NSU-Mord in Kassel hat der hessische Landtag einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Politiker forderten am Sonntag Aufklärung. „Die neuerlichen Hinweise machen sprachlos“, sagte SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Sie müssten ohne Ansehen von Person und Institution aufgeklärt werden. „Unfassbar“, twitterte Linken-Fraktionschefin Janine Wissler. Auch der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir mahnte eine lückenlose Aufklärung an. „Da tun sich weite Abgründe auf. Der Mord in Kassel ist alles andere als aufgeklärt“, sagte Özdemir der „Welt“.

          Das hessische Innenministerium wollte den Zeitungsbericht nicht kommentieren. Ein Sprecher verwies auf den laufenden Gerichtsprozess in München und den Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags.

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