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Nach Terroranschlag in Hanau : Geld zur Traumaverarbeitung

Eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terroranschlags von Hanau. Bild: Lucas Bäuml

Ein halbes Jahr nach dem Terroranschlag in Hanau legt das Land ein Förderprogramm auf. Es soll den Hinterbliebenen der Opfer zugute kommen, um sich nach der Tat wieder besser im Alltag zurechtfinden.

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          Die Opfer des Terroranschlags vom 19. Februar und ihre Angehörigen sollen nicht vergessen werden. Das versichern der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und Innenminister Peter Beuth (beide CDU). Sie haben am Mittwoch im Rahmen einer Gedenkveranstaltung, genau sechs Monate nach dem Attentat, ein „Sonderförderprogramm Hanau 2020“ angekündigt. Der fremdenfeindliche Attentäter hatte vor einem halbem Jahr in den späten Abendstunden des 19. Februars wahllos neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Danach tötete er seine kranke Mutter und sich selbst.

          Luise Glaser-Lotz
          Korrespondentin der Rhein-Main-Zeitung für den Main-Kinzig-Kreis.

          Das Landesprogramm umfasst nach den Worten Beuths 600.000 Euro. Das Geld soll bis 2022 für die Arbeit mit Betroffenen des Anschlags verwendet werden. Außerdem kündigte der Minister weitere finanzielle Hilfe aus dem Landesausgleichsstock für die Stadt Hanau an. Beuth lobte die „zahlreichen guten Initiativen und Ideen der Stadt sowie weiterer Partnern aus der Zivilgesellschaft“. Auf ihrer Arbeit könne aufgebaut werden.

          Die schreckliche Tat vom 19. Februar habe das Land ins Mark getroffen, sagte Beuth. Mit dem Sonderprogramm solle eine langfristige Unterstützung für die Überlebenden und Hinterbliebenen ermöglicht werden. „Die traumatischen Erlebnisse werden nicht verschwinden, aber mit professioneller Hilfe vor Ort kann das Leid der Betroffenen gemindert werden“, sagte der Minister.

          Sicherheitsgefühl in Hanau stärken

          Um den Herausforderungen kurzfristig zu begegnen, sei noch in diesem Jahr eine Förderung von Projekten möglich. Gedacht ist nach seinen Worten beispielsweise an die Unterstützung der Anlaufstelle für Angehörige, Freunde und weitere Betroffene des Anschlags. Ermöglichen will man außerdem Hilfen für betroffene Eltern und Kinder, damit diese sich wieder besser im Alltag zurechtfinden. Dabei könnten Gruppenangebote zum Thema Trauma sowie Trauer und Angst helfen.

          Das Geld sei auch für andere Formen der Angehörigenarbeit, der psychosozialen Beratung und emotionalen Stabilisierung einzusetzen. Dazu zählten etwa Gedenkveranstaltungen. Die Projekte sollen zudem das Sicherheitsgefühl in der Stadt Hanau stärken.

          Das „Sonderförderprogramm Hanau 2020“ ist Teil des Landesprogramms „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“. Begleitet wird es vom „Hessischen Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus“ im Ministerium des Innern und für Sport. Die Förderung für das laufende Jahr sehe die Unterstützung von bis zu drei Projekten mit einem Umfang von jeweils höchstens 50.000 Euro vor. Eine Jury soll zügig die Projekte auswählen, an der auch die Stadt beteiligt ist. Vorschläge können unter www.hke.hessen.de eingereicht werden.

          Auf Solidarität der Gesellschaft bauen

          Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) wertete das Förderprogramm als eine starke Botschaft, die einmal mehr zeige, dass der Anschlag von der Stadt nicht allein bewältigt werden müsse und man auf die Solidarität der Gesellschaft bauen könne. Bereits unmittelbar nach dem Anschlag hatten sich laut Beuth sowohl das Land als auch der Bund neben den Verantwortlichen der Stadt und der Polizei sowie privaten Trägern für die Opferangehörigen engagiert. So habe der Bund kurzfristig den Zuschuss für die örtliche Partnerschaft für Demokratie erhöht. Das Land habe zudem die Zuwendung für die in Hanau ansässige –Fachstelle für Demokratieförderung und Extremismusprävention von 50.000 auf 100.000 Euro für 2020 verdoppelt.

          Auch Ministerpräsident Bouffier ließ wissen, dass die Unterstützung der Opferfamilien oberste Priorität habe. Sie dürften nicht alleingelassen werden, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wir müssen uns alle gemeinsam entschieden gegen Rassismus, Hass und Hetze in der Gesellschaft stellen“, äußerte Bouffier. Es sei ihm ein persönliches Anliegen, mit den Familien der Opfer in Kontakt zu bleiben und den Dialog mit ihnen fortzuführen. Seinem Besuch bei den Familien unmittelbar nach dem Anschlag will er ein weiteres Treffen hinzufügen. Es soll Ende August stattfinden.

          Bereits unmittelbar nach dem Anschlag hatten Bundes- und Landesregierung sowie Sicherheitsbehörden mit umfassenden Hilfs- und Begleitangeboten für die überlebenden Opfer und Hinterbliebenen reagiert. Dazu zählt Bouffier unter anderem die Summe von 1,3 Millionen Euro, die der Bundesopferbeauftragte an „Härtefallleistungen“ an die Hinterbliebenen, Schwerverletzten und unmittelbar Betroffenen des Terroranschlags ausgezahlt habe. Konkrete Hilfsangebote habe zudem der maßgeblich vom Land getragene Opferhilfeverein Hanauer Hilfe insbesondere bei der Traumaverarbeitung und der Hilfestellung bei Anträgen geleistet.

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