Selbsttest mit Kippa : So eine traditionelle Mütze für Juden
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Täglich bin ich in Frankfurt privat und beruflich unterwegs – bisher ohne Zwischenfälle. Ändert die Kippa etwas daran? Bild: Wonge Bergmann
Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt warnt davor, in bestimmten Stadtteilen eine Kippa zu tragen. Doch gibt es solche No-Go-Areas für die traditionelle Kopfbedeckung? Ein Selbsttest.
Die halbe Stadt scheint an diesem sonnigen Vormittag auf den Beinen. Hauptbahnhof, Münchener Straße, Neue Mainzer Straße, dann weiter zur Zeil – all diese Wege sind mir seit Jahren vertraut. Dennoch fühle ich mich heute etwas unsicher. Grund dafür ist meine Kopfbedeckung, ein Stück Stoff, das als Symbol für jüdische Identität gilt – die Kippa.
Lange ist es her, dass ich sie getragen habe. Von meinen jüdischen Eltern säkular erzogen, pflege ich ein paar jüdische Traditionen, aber meine Identität trug ich stets im Inneren, selten nach außen, sichtbar für andere.
Nach dem Übergriff von Antisemiten in Berlin hatte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, Juden gewarnt, die Kippa in der Öffentlichkeit zu tragen. Auch in Frankfurt soll es sogenannte No-go-Areas für Träger der traditionellen Kopfbedeckung geben. Besonders die Gegenden um den Hauptbahnhof und um die Hauptwache sollten gemieden werden, heißt es auf Anfrage von der jüdischen Gemeinde Frankfurt. Es sind Orte, an denen sich viele Muslime aufhalten.
Symbol für Nahost-Konflikt
Ich bin durch Iran, Indonesien und die Palästinensergebiete gereist. Die Menschen, mit denen ich Freundschaften schloss, wussten, dass ich Jude bin. Ein Problem war das jedoch nie. Die anderen sahen es mir nicht an. Wie aber war es in Deutschland? In einem Bericht des Bundestages aus dem Jahr 2017 heißt es, die Hauptquelle für Antisemitismus liege im Nahost-Konflikt. Antiisraelische Äußerungen würden besonders von jungen Muslimen „auf alle Juden generalisiert“. Meine Kippa würde mich also für einige sichtbar einer bestimmten Schublade zuordnen.
Aber Israel ist nicht meine Heimat, auch bin ich kein Anhänger der dortigen Regierung, geht es mir auf dem Weg in Richtung Willy-Brandt-Platz durch den Kopf. Vor den Dönerbuden und Handy-Shops in der Münchener Straße fühle ich mich beobachtet. Einige junge Männer blicken kurz von ihren Mobiltelefonen hoch – mehr aber auch nicht.
In einer Seitengasse gibt es einen afghanischen Lebensmittelladen. Vor der Brottheke tummeln sich viele Kunden. Eine klare Ordnung wie in einem deutschen Supermarkt fehlt. Ein Jugendlicher bemerkt meine Verwirrung, zieht mich nach vorne und erklärt mir die verschiedenen Backwaren. Meine Kippa scheint ihn nicht zu stören. Ich wähle aus, zahle und setze meinen Weg fort.
„Mensch ist doch Mensch“
Zehn Minuten später, an der Hauptwache, wimmelt es von Passanten aus aller Herren Länder. Einige bestechen durch skurrile Kleidung, unter ihnen sind zahlreiche Straßenkünstler. Was ich auf dem Kopf trage, fällt kaum auf. Mehr Aufmerksamkeit gilt einem unrasierten Mann, der im Bademantel zur Konstabler Wache stolziert.
Nach einem Rundgang führt der Weg zurück zur Münchener Straße. Das Wetter weckt Lust auf einen Tee. In einem türkischen Café nimmt die Kellnerin freundlich lächelnd die Bestellung auf. Als ich ausgetrunken habe, frage ich die Frau, ob sie wisse, was ich da auf dem Kopf trage. „Ja, das ist so eine traditionelle Mütze für Juden“, erwidert sie. Ob sie damit ein Problem habe? Die Kellnerin schaut etwas verdutzt, als hätte man ihr gerade eine besonders dämliche Frage gestellt. „Warum sollte ich? Mensch ist doch Mensch.“ Auch auf dem Weg zurück zum Hauptbahnhof und zur Tram nach Hause gibt es keine besonderen Vorkommnisse.
Ärger mit aggressiven Migranten oder antisemitische Hetze sind mir in Deutschland durchaus bekannt. Das eine wie das andere mag es gewiss auch in Frankfurt geben. Die Frage wäre sicherlich wo und zu welchem Zeitpunkt? An diesem belebten Tag in der Innenstadt ist mir allerdings nichts passiert. Dennoch habe ich etwas gelernt: Die Empfindungen derjenigen, die aus Überzeugung die Kippa häufig tragen, verstehe ich nun besser.