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Verlust von Arbeitsplätzen befürchtet : Mindestlohn bringt Unruhe ins Taxigewerbe

An Taxen ist in Frankfurt kein Mangel, wenn nicht gerade Messe ist: wartende Fahrzeuge am Hauptbahnhof. Bild: Fiechter, Fabian

Die meisten Taxifahrer erhalten einen Anteil am Umsatz, nicht einen Stundenlohn. Dem Mindestlohn entkommt die Branche damit aber nicht – mit womöglich unangenehmen Folgen für die Kundschaft.

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          Eindeutig lieber wäre allen Beteiligten, niemand spräche von einem Mindestlohn. Oder es hätte wenigstens die Bundesarbeitsministerin den Taxifahrern den Gefallen getan, ihre Branche auszunehmen. Andrea Nahles (SPD) aber denkt nicht daran. Und so beschäftigt man sich in der Branche gegenwärtig recht missmutig mit den Folgen der gesetzlichen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro, die 2015 in ganz Deutschland eingeführt werden soll. Die erste, unangenehme Folge ist schon, dass auf einmal so viele wissen wollen, was denn Taxifahrer eigentlich verdienen. Welche Verträge sie haben. Wie eigentlich überhaupt das ganze Taxigewerbe organisiert ist.

          Manfred Köhler
          Ressortleiter der Rhein-Main-Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

          Wer so schlichte Fragen stellt, hat den Eindruck, als steche er in ein Wespennest. Denn die Branche wirkt zwar nach außen hin so geordnet wie wenige. Alle Taxen in einer Farbe. Gut durchorganisierte Taxizentralen. Hoheitlich festgelegte Tarife. Aber das ist nur die eine Seite. Wer sich mit der anderen beschäftigen möchte, wer nach den Arbeitsbedingungen fragt, bekommt bemerkenswert unscharfe Auskünfte. Antworten, bei denen die Gesprächspartner kichern, weil sie ja wissen, dass sie gerade eine Art offizielles Statement geben, das mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat. Antworten, bei denen die Beteiligten sagen, sie wollen nicht mit Namen zitiert werden.

          Zuwanderer sehen Taxifahren als Chance

          Denn die Beschäftigungsverhältnisse im Taxigewerbe sind strubbelig. Zunächst: In Frankfurt kommen auf 1700 Taxis 1100 Unternehmer. Das heißt: Ganz oft sitzt der Chef selbst hinterm Steuer. Für Unternehmer aber gilt der Mindestlohn nicht – er ist ja geradezu umgekehrt dazu gedacht, Angestellten zu einem höheren Einkommen zu verhelfen. Doch auch solche Angestellte finden sich in der Branche natürlich in großer Zahl. Neben zahlreichen Ein-Mann-Betrieben sind in Frankfurt auch Taxiunternehmen mit 30 und mehr Fahrzeugen am Markt. Alles in allem verdienen in der Stadt an die 4500 Fahrer ihr Geld, wie zu hören ist.

          Es werden sicherlich auch Familienväter darunter sein, für die es ein ganz gewöhnlicher Lebens-Arbeitsplatz ist. Viele aber sind Aushilfen. Manche fahren nur ein paar Stunden die Woche. Andere können gar nicht genug kriegen. Die Rede ist von Fahrern, die 16 Stunden und mehr am Tag am Lenkrad sitzen. Zuwanderer sehen es als Chance, rasch an Geld zu kommen. Der Ausländer, ein Rumäne vielleicht, der Tag für Tag durch Frankfurt fährt, der unter äußerst dürftigen Umständen wohnt – hier hat er einen mäßig bezahlten Job, zu Hause ist er der König, der mehr verdient als alle sonst im Dorf.

          Viele Fahrer hätten 450-Euro-Jobs

          Manches in der Branche geschieht in einer Grauzone. Als der Zoll, der seit einigen Jahren auch für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständig ist, 2011 einmal einen Taxistand in Düsseldorf absperrte und alle Fahrer kontrollierte, ergab sich bei jedem dritten ein Verdacht auf den Missbrauch staatlicher Leistungen – im Klartext: Es waren Fahrer noch arbeitslos gemeldet und kassierten also doppelt.

          Entlohnt werden die Fahrer, ob sie nun per Handschlag oder mit einem Vertrag angestellt wurden, in der Mehrzahl nach Umsatz. 35 bis 45 Prozent der Tageseinnahmen können sie behalten. Wie viel das ist? Niemand sagt einem das. Es wird ja auch stark schwanken. Wann man fährt. Wo. Wie man sich reinhängt. Deutlich kleiner scheint die Gruppe zu sein, die einen Stundenlohn bekommt. Mal ist von 6,50 Euro die Rede, mal von 7,10 Euro. Tarifvertrag? Natürlich nicht. Jedenfalls keinen aktuellen. Viele Fahrer hätten 450-Euro-Jobs, heißt es noch.

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