Warnung von Apothekern : Medikamentenmangel noch lange nicht behoben
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Die Regale der Apotheker leeren sich. (Symbolbild) Bild: Frank Röth
In Apotheken fehlen bereits wichtige Arzneien, und im Sommer läuft auch noch eine Regelung aus, die Apothekern noch etwas Spielraum bei der Bereitstellung von Medikamenten ließ. Ihr Verband warnt vor Unterversorgung.
Viele Apotheker im Rhein-Main-Gebiet haben dem Osterwochenende mit Bangen entgegengesehen. Am 7. April sollte eine bundesweite Regelung mit dem sperrigen Namen SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung auslaufen, die den Apotheken bis dahin die Abgabe von Arzneimitteln erleichtert. Sie war während der Corona-Pandemie eingeführt worden, um mehrfache Arzt- und Apothekenbesuche zu vermeiden. War ein verordnetes Medikament nicht in der gewünschten Packungsgröße oder Wirkstärke verfügbar, konnten die Apotheker den Patienten eine pragmatische Lösung anbieten, indem sie zum Beispiel aus größeren Schachteln einzelne Blister über den Tresen reichten.
Damit sollte vom 8. April an Schluss sein, weil dann nur noch exakt das Medikament an den Patienten abgegeben werden könne, wie es in Menge und Stärke auf dem Rezept steht, sagt Ursula Funke, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen. Damit solle ein Ausweichen auf teurere Medikamente vermieden werden. Die Vereinbarung gelte für die Rabattarzneimittel, für die die Krankenkassen Verträge ausgehandelt hätten. Dabei hätte die Ausnahmeregel keine Mehrkosten für die Kassen verursacht, so die Überzeugung der Verbandssprecherin. „Meine Kollegen sind mit diesen Lockerungen verantwortungsvoll umgegangen.“
„Das ist eine Mangelverwaltung“
Auf die Kritik der Verbände hat der Bundestag nun kurzfristig reagiert und will durch einen Änderungsantrag die flexible Regelung bis zum 31. Juli 2023 verlängern, teilt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) am Dienstag mit. Verschärft werde die derzeitige Lage durch Lieferengpässe bei Medikamenten, die seit Monaten bestünden, ohne dass sich eine Besserung abzeichne, so Funke. Antibiotika, Fiebermittel, Tabletten gegen Bluthochdruck, Insulinpräparate sind nur einige Beispiele, die sie ohne Zögern nennt. „Wir wissen nicht, was morgen und übermorgen lieferbar ist“, sagt Funke. „Das ist eine Mangelverwaltung.“ Die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen kennt die Nöte ihrer Kollegen aus erster Hand. „Jede Woche verbringen wir Stunden damit, zu recherchieren, was es gibt und was überhaupt lieferbar ist.“
„Beschämend“ sei der Mangel an Medikamenten, sagt Hausarzt Gero Björn Denda. Selbst Penizillin fehle, um Scharlach zu behandeln, oder Fieberzäpfchen für Kleinkinder. „Wir leben doch in einem Industrieland“, meint der Mediziner aus Langen im Landkreis Offenbach. Nun werde den Ärzten mit der bevorstehenden Regelung ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand aufgebürdet, dabei solle doch die Patientenversorgung im Mittelpunkt stehen.
Um den Mangel wenigstens ein wenig zu lindern, wird Nojan Nejatian in seiner Apotheke in Erzhausen (Kreis Darmstadt-Dieburg) nun wieder selbst Fiebersäfte für Kinder herstellen. „Schmerzmittel für Kinder als Saft oder Zäpfchen können wir selbst zubereiten“, sagt er. Bei Antibiotika seien ihm aber die Hände gebunden, da die Wirkstoffe am Markt fehlten.
Die Maßnahmen gegen die Lieferengpässe, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für Herbst in Aussicht stellt, kämen viel zu spät, sagt Ursula Funke, die auch stellvertretende Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer ist. Vom 1. August an fürchtet der Apothekerverband ABDA „einen bürokratischen und patientenfeindlichen Rückschlag“. Wenn dann ein Patient mit dem Rezept für ein nicht vorrätiges Medikament in einer Apotheke erscheine, müsse er mit leeren Händen wieder weggeschickt werden. Dann stehe ihm ein neuerlicher Arztbesuch bevor, um sich wieder ein Rezept für ein anderes Präparat ausstellen zu lassen, das hoffentlich vorhanden ist, beschreibt Funke das Dilemma.
Für das Management von Lieferengpässen sind mindestens sechs Stunden pro Woche je Apotheke nötig, schätzt die ABDA. Bundesweit geht der Verband von etwa 20 Millionen verordneten, aber nicht verfügbaren Arzneimitteln im Jahr aus.