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Studenten besuchen Gefängnis : „Ich bin Heiko und hier wegen Totschlag“

  • -Aktualisiert am

Tunnelblick: Für jemanden, der im Gefängnis Rohrbach in Untersuchungshaft sitzt, können die Tage sehr lang werden. Bild: Marcus Kaufhold

Mainzer Jurastudenten besuchen regelmäßig Häftlinge im Untersuchungsgefängnis Rohrbach. Die Gefangenen freuen sich über die Abwechslung. Und die Studenten lernen etwas, das ihnen keine Vorlesung vermitteln kann.

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          Es sind nicht weniger als vierzehn Türen. Jedes Mal muss der Vollzugsbeamte seinen Schlüssel zücken oder warten, bis eine Tür von anderer Hand entsperrt wird. Nur zwei sind unverschlossen, sie führen zu einem Platz unter freiem Himmel, auf dem man die schwüle Sommerluft spürt und Vögel zwitschern hört. Vierzehn Türen, die Linda, Tamina und Franzi montags passieren müssen, alle zwei Wochen. Es ist ein Stop-and-go-Prozedere. Ein Schleusenvorgang, um mit Gefangenen in Kontakt zu treten, die sonst kaum welchen haben dürfen. In Rheinland-Pfalz sind in der Regel zwei Stunden erlaubt. Im Monat. Ansonsten heißt es auf der Zelle sitzen, auf engstem Raum, für zweiundzwanzig Stunden.

          Tim Niendorf
          Politikredakteur.

          Montags ist das anders, zumindest für diejenigen, die sich rechtzeitig in eine Liste eingetragen haben und sich an die Gefängnisregeln halten. Die anderen müssen warten, bis ein Platz frei wird. Dann können auch sie Besuch von den Jura-Studenten bekommen. Es sind zwei Fünfergruppen, die sich jede Woche abwechseln. An diesem Tag sind es drei ehrenamtliche Vollzugshelferinnen. Linda, Tamina und Franzi, deren Nachnamen die Insassen nicht erfahren dürfen. Sie sind freiwillig hier. Im Sommer wie im Winter.

          Vorstellungsrunde zum Einstieg

          Vorlesungen, Klausuren und lernen, lernen, nochmals lernen: Ein Jurastudium ist hart, wenn man es erfolgreich abschließen will. Da schließt man sich, wie Franzi kürzlich, in der heißen Lernphase schon mal in sein Zimmer ein, schließt die Rollos und vergisst lieber, wann Tag, wann Nacht ist. Den Montag vergessen die drei Studentinnen und ihre Kommilitonen aber nie. Und wenn sie nur zu zweit sind – sie fahren. Zur Justizvollzugsanstalt Rohrbach in Wöllstein, vom Mainzer Campus mit dem Auto in einer halben Stunde zu erreichen.

          Fünf Gefangene sitzen nun vor den dreien. Auf dem Tisch liegt ein Funkgerät, für alle Fälle. Wer hierherkommt, sitzt in Untersuchungshaft. Für ein paar Wochen oder ein paar Monate, bis ein Gericht über den Fall befindet. Wann das ist, bleibt oft unklar. Immer wieder also müssen die Freiwilligen sich auf neue Gesichter einstellen.

          Vorstellungsrunde. „Hallo, ich bin Heiko und hier wegen Totschlag“, sagt einer frei heraus. „Hallo, ich bin Franzi, ich bin 25. Nee, Moment – wie alt bin ich? Doch, 25“, sagt Franzi, etwas verwirrt.

          „Da gehste kaputt“

          In der Gesprächsrunde geht es um alles und nichts. Um alles, wenn über bevorstehende Verhandlungen gesprochen wird. Um nichts, wenn über Fußball geredet wird. Für die Insassen sind es 90 Minuten Ablenkung, wie sie sagen. Da wird Persönliches anvertraut, geschwiegen und bald darauf auch wieder gelacht. „Heute habe ich den Jacuzzi sauber gemacht“, sagt einer, der den Humor trotz seiner Lage nicht verloren hat. Die Begegnungen mit der Außenwelt, sie sind ein wöchentlicher Lichtblick.

          Für die Studentinnen sind sie ein Einblick. Vorlesungen seien schön und gut, aber manchmal werde da schon das eine oder andere schöngeredet. Andererseits, sich nur auf die Meinung der Gefangenen zu verlassen sei auch verkehrt. Sich nach dem harten Uni-Alltag immer wieder aufzuraffen fällt den Studentinnen nicht immer leicht, das geben sie zu. Vor allem in der dunklen Jahreszeit ist es hart. Aber, sagt Linda, „wenn man dann wieder rausgeht, ist man beschwingt“.

          Gute Vorbereitung

          Und die Gefangenen fühlen sich auch ein wenig besser. Denn auf der Zelle, „da gehste kaputt“, sagt einer. Um 6 Uhr werden sie geweckt, kurz darauf wird die Wäsche getauscht, es folgen Frühstück, Mittagessen, zwei Stunden Hofgang. Dazwischen fernsehen, vielleicht mal ein Buch lesen. Montags und mittwochs Sport, sonntags Gottesdienst, das war’s.

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