Heiß-kalte Kindheitserinnerung
- Aktualisiert am
Sattmacher aus einer anderen Zeit: Dippekuche mit Apfelbrei Bild: Bernhard Biener
Der Dippekuche stand bei Bernhard Biener schon in der Kindheit regelmäßig auf dem Speiseplan. Kartoffeln waren immer im Keller, und auch sonst galt das Prinzip: Verwenden, was da ist.
Mit dem Wort „Vegetarier“ hätte unsere Großtante nichts anzufangen gewusst. Schließlich stammte sie von einem Bauernhof im Hunsrück mit Kühen, Schweinen und Hühnern, die natürlich irgendwann im Kochtopf landeten. Aber eben viel seltener, als man meint. In ihrer Generation, sie war Jahrgang 1900, stand nicht jeden Tag Fleisch auf dem Speiseplan. So, wie das Wohnzimmer als gute Stube hohen Feiertagen wie der Dorfkerb vorbehalten war – und sich das Leben deshalb vorwiegend in der Küche abspielte. Bei fast einem Dutzend Kindern konnte nicht jedes auf dem Hof bleiben. So führte die Großtante in Frankfurt den Haushalt ihres Bruders, der dort ein Textilgeschäft betrieb. Sie kümmerte sich auch um dessen Kinder, und als die hinter dem Ladentresen standen, waren wir schon die dritte Generation, die sie bekochte.
Der Dippekuche, für den uns eine hochdeutsche Bezeichnung nicht über die Lippen kommen will, stand regelmäßig auf dem Speiseplan. Kartoffeln waren immer im Keller, und auch sonst galt das Prinzip: Verwenden, was da ist. Alte Brötchen wurden in Teig getunkt zu Kartäuserklößen, zu denen es auch für uns Kinder Apfelweinsoße gab. Der übriggebliebene Reisbrei des einen Tages kam am nächsten als gebackene Reisplätzchen auf den Tisch. Worüber wir uns dank Zimt und Zucker nicht beschwerten. Sparsam kochen galt der Großtante als oberstes Gebot, wohl auch geprägt durch die Not zweier Weltkriege. Und so fehlte bei „Himmel und Erde“ meist die eigentlich zugehörige Blutwurst. Uns reichte die Mischung aus Apfel- und Kartoffelbrei, wenn eine wichtige Voraussetzung erfüllt war.
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