„Erster Tag unbezahlter Arbeit“ : Grundschullehrer wollen mehr Geld
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Gesuchte Kräfte: Hunderte, vielleicht Tausende Lehrer werden in den hessischen Grundschulen in den nächsten Jahren fehlen. Bild: Imago
Am 13. November endet ihre Bezahlung – so rechnen es die Lehrer an hessischen Grundschulen vor. Sie fordern eine finanzielle Gleichstellung mit den Kollegen an weiterführenden Schulen.
Es sind nur drei Zeichen, aber für Grundschullehrer haben sie eine enorme Bedeutung: A13. So nennt sich die Besoldungsgruppe ihrer Kollegen an weiterführenden Schulen. Sie selbst werden nach A12 bezahlt, bekommen als Einstiegsgehalt also rund 3370 Euro. Das sind etwa 550 Euro weniger als zum Beispiel die Kollegen an einer Realschule. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) fordern deshalb seit langem, auch Grundschullehrer in der Besoldungsgruppe A13 einzustufen. Für den 13. November haben sie zum Protest in mehreren hessischen Städten aufgerufen.
Aktionen sind unter anderem in Wiesbaden, Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Heppenheim, Nidda und Michelstadt geplant, Flashmobs etwas. Dass sich die Lehrerverbände für den Protest ausgerechnet den 13. November ausgesucht haben, ist kein Zufall. Nach ihrer Berechnung arbeiten die Grundschullehrer von heute an sozusagen gratis. Denn die Kollegen mit anderen Lehrämtern hätten jetzt schon so viel verdient wie sie erst am Jahresende.
„A13 für alle“
Die Gewerkschaften verweisen auf andere Bundesländer, die der Forderung nach „A13 für alle“ schon nachgekommen sind. Nach Angaben der GEW Hessen haben sieben Länder beschlossen oder angekündigt, beamtete Grundschulkräfte eine Besoldungsgruppe höher einzustufen und ihren angestellten Kollegen das entsprechende tarifliche Gehalt zu zahlen. Hessen belege bei der Besoldung von Grundschullehrern bundesweit den 13. Platz. In Bremen erhielten die Pädagogen gut 7800 Euro mehr im Jahr, Sachsen biete einer ledigen Lehrkraft, bezogen auf ein Berufsleben von 40 Jahren, 311 000 Euro mehr als Hessen. Aber auch im Vergleich zu einer Lehrkraft in Bayern, die ebenfalls in A12 eingruppiert werde, verdienten hessische Grundschullehrer in ihrer Laufbahn gut 118 000 Euro weniger.
Der VBE erinnert an den Koalitionsvertrag der Landesregierung, in dem CDU und Grüne angekündigt haben, für ein „abgestimmtes und einheitliches Vorgehen“ das „Gespräch mit den Nachbarbundesländern“ zu suchen. Allerdings hat sich dieses Vorhaben nach Meinung des Verbands überholt, da außerhalb Hessens schon geschehe, über was die Landesregierung erst noch reden wolle. Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein hätten sich für A13 entschieden, in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern werde darüber verhandelt, und auch der bayerische Kultusminister habe sich jüngst zustimmend geäußert. „Die Zeit für Gespräche ist also vorbei – die Hessische Landesregierung muss handeln", sagt der VBE-Landesvorsitzende Stefan Wesselmann.
Der Verband untermauert seine Forderung mit einem juristischen Gutachten, das er vor einigen Jahren in Auftrag gegeben hatte. Demnach sind die gängigen Argumente für eine nach Lehrämtern differierende Bezahlung - nämlich eine unterschiedliche Ausbildung sowie verschiedene Anforderungen im Schulalltag – nicht mehr tragfähig. Schließlich stehe in allen Lehramts-Studiengängen am Ende das Staatsexamen. Dem Argument, an Gymnasien würden Fachkenntnisse auf einem höheren Niveau verlangt, setzt der Verband entgegen, dass Lehrer heute in allen Schulformen vor allem pädagogisch gefordert seien, etwa bei der Vermittlung sozialer Schlüsselkompetenzen, der Medienbildung, der Integration von Kindern und Jugendlichen aus zugewanderten Familien sowie im gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung.
Kritik am Einsatz von Laien
Die Lehrergewerkschaften sehen in der schlechteren Bezahlung auch einen Grund für den Mangel an Grundschulpädagogen. Wenn Hessen im Wettbewerb um den Lehrernachwuchs nicht den Kürzeren ziehen wolle, müsse die Landesregierung A13 zum Berufseinstieg für alle Lehrkräfte einführen, sagt Wesselmann. Nach Einschätzung der GEW wird die Nachfrage nach ausgebildeten Grundschullehrern noch stärker steigen als ohnehin angenommen. Während die Kultusministerkonferenz für Hessen in den Schuljahren 2022/23 und 2023/24 einen Lehrermangel von gut 600 beziehungsweise rund 400 Kräften prognostiziert habe, werden nach den Berechnungen der GEW in diesen Jahren 1450 beziehungsweise 1300 Kräfte fehlen. Schon jetzt gebe es in Hessen Grundschulen, in denen ein Fünftel des Unterrichts von nicht ausgebildeten sogenannten Vertretungslehrkräften gehalten werde. So würden ausgerechnet die jüngsten Schüler um Bildungschancen gebracht.
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Christoph Degen, wirft Kultusminister Alexander Lorz (CDU) vor, das wahre Ausmaß des Lehrermangels durch den Einsatz unqualifizierter Kräfte zu verschleiern. Nach seinen Angaben unterrichten an hessischen Schulen mehr als 6000 pädagogische Laien. Diese Kräfte würden vor allem an Grund- und Förderschulen eingesetzt „und damit an den Schulen, an denen die pädagogische und fachliche Qualifikation der Lehrkräfte in besonderem Maße gewährleistet sein muss“.
Die ersten beiden Grundschuljahre seien entscheidend für den weiteren Bildungsweg von Kindern, so Degen. Der Erwerb der Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen seien gefährdet und damit das Bildungsniveau allgemein. Schwarz-Grün spiele das Problem jedoch herunter und spreche von Einzelfällen, statt durch eine Verbesserung der Besoldungsstufe auf A13 Anreize zu geben, sich für den Beruf des Grundschullehrers zu qualifizieren.
Auch die FDP ist mit Blick auf den Lehrermangel für eine Anhebung auf A13. Allerdings sei das nicht von heute auf morgen möglich, sagt der bildungspolitische Sprecher Moritz Promny. Wichtiger noch als die Soldfrage sei aber eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Für den schulpolitischen Sprecher der AfD, Heiko Scholz, ist eine höhere Bezahlung auch eine Frage der Gerechtigkeit: Grundschullehrer hätten komplexe Anforderungen zu meistern und sollten sich nicht als Pädagogen zweiter Klasse fühlen. Außerdem würde mehr Sold auch dazu betragen, den Beruf für die bisher unterrepräsentierten Männer interessanter zu machen.