Frankfurter KZ Katzbach : Wider das Vergessen
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Beharrliches Gedenken: Unterstützer der Aktion “Mitten unter uns“ auf der Frankfurter Zeil. Bild: Cornelia Sick
Von der Erinnerung an das Frankfurter KZ Katzbach fühlen sich Ewiggestrige provoziert. Nun sind abgerissene Baumbinden erneuert worden.
Deutsche Geschichte kann schmerzhaft sein. Vor allem jene zwischen 1933 und 1945. Manche scheinen es nicht ertragen zu können, an ein Konzentrationslager mitten in Frankfurt erinnert zu werden, an das KZ Katzbach in den früheren Adlerwerken. Dorthin sind im August 1944 etwa 1200 Zwangsarbeiter verbracht worden, zum größten Teil polnische Männer, die nach der Niederschlagung des Wahrschauer Aufstandes durch deutsche Truppen verhaftet und nach Deutschland deportiert worden waren.
„Verschrottung durch Arbeit“ lautet hier wie in vielen anderen Lagern die NS-Strategie, von den Gefangenen in Katzbach haben denn auch gerade einmal etwa 50 überlebt. Die Toten aus den Adlerwerken sind in einem Massengrab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beerdigt, alle sind sie mittlerweile namentlich bekannt. Drei der Zwangsarbeiter leben noch. An dieses düstere Kapitel der deutschen und Frankfurter Geschichte erinnern seit einigen Monaten gestreifte Stoffbinden mit den Namen von Katzbach-Häftlingen oder mit Häftlingsnummern, die an vielen Bäumen am Sachsenhäuser Mainufer, auf der Einkaufsmeile Zeil und im Gallusviertel, wo die Adlerwerke zu Hause waren, hängen. Das Anbringen der Binden geht auf die Kunstaktion „Mitten unter uns“ zurück, welche die Frankfurter Künstlerin Stefanie Grohs im Auftrag des Kulturdezernats entwickelt und mit vielen ehrenamtlichen Helfern im März und April ausgeführt hat. Es ist der Versuch, einmal nicht mit Reden und Kranzniederlegungen an die Vergangenheit zu erinnern, sondern mit ungewöhnlichen künstlerischen Methoden Emphase und Nachdenken zu wecken.
50 Baumbinden abgerissen - offenbar gezielt
Die blau-weiß gestreiften Binden nach dem Muster von Häftlingskleidung und ihre unbequeme Botschaft haben manche Zeitgenossen aber offenbar als unerhörte Provokation empfunden. Sie protestierten freilich nicht, sondern zerstörten einfach im Schutze der Dunkelheit, was ihre Augen nicht sehen und ihre Gehirne nicht wissen wollen. Auf der Zeil etwa waren nur noch vereinzelt Binden zu entdecken. Vor zwei Wochen ist es am Sachsenhäuser Ufer zu einer offensichtlich gezielten Zerstörungsaktion gekommen. Unbekannte rissen in einer Nacht etwa 50 Binden ab. Die Nachricht verbreitete sich schnell im Unterstützerkreis der Künstlerin Grohs. Ein halbes Dutzend Enthusiasten verabredeten sich über Twitter, sie brachten am nächsten Tag die Binden wieder an den Bäumen an.
Zwei Wochen später schändeten Unbekannte das Erinnerungswerk am Mainufer abermals, dieses Mal wurden etwa 20 Binden abgerissen. Daraufhin erstattete das Frankfurter Kulturdezernat Strafanzeige. Weil der Verdacht besteht, dass der oder die Täter aus rechtradikalen Kreisen stammen und die Taten politisch motiviert sind, übernahm das Landeskriminalamt die Ermittlungen. Wer die Binden entfernt hat, konnten die Staatsschützer allerdings bisher nicht herausfinden.
Zusätzliche Sicherung für Binden
Mit einem gewissen Schwund an Binden hat die Künstlerin Grohs von Anfang an gerechnet. Deshalb hat sie mit ihren Helfern nicht nur 1200 Binden, also für jeden Häftling eine Binde, gefertigt, sondern 400 zusätzliche. Diese hat sie in Reserve gehalten, um verschwundene Binden ersetzen zu können.
Am Samstag war der Tag der Erneuerung. Rund 20 Unterstützer, darunter die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen, haben sich um 12 Uhr im Historischen Museum versammelt, wo, in Tüten verpackt, neue Binden bereitlagen. Bevor Grohs den Helfern ihre Aufgabe erklärte, bat sie um eine Minute Stille, in der alle der toten Katzbach-Häftlinge gedachten.
Wie schon beim ersten Anbringen im März und April hatte Grohs wieder alles penibel geplant. Die Taschen mit den Binden waren durchnummeriert, in jeder fand sich ein genauer Plan mit jenen Bäumen, die mit einer Binde umwickelt werden sollten. Doch angesichts des Vandalismus und der gezielten Zerstörung hat sich Grohs eine weitere Sicherungsmaßnahme einfallen lassen. Dieses Mal sollten die Binden nicht nur mit Kordel an den Bäumen befestigt werden, sondern zusätzlich auch mit Draht. Dafür hatte sie ein Dutzend Zangen mitgebracht. Grohs überlässt nichts dem Zufall.
Aktion endet im November
Nur gegen die Zerstörungswut feiger Unbekannter kann all ihre Planung nichts ausrichten. Trotzdem ist sie hoch zufrieden über ihre Aktion, denn sie hat reichlich Zustimmung bekommen, und die Website www.mittenunteruns.de, in der das Vorhaben vorgestellt und über die neuesten Entwicklungen berichtet werden, wurde viel angeklickt.
Am 21. November endet die Aktion mit einer Abschlussveranstaltung im Sonnemann-Saal des Historischen Museums. Dann wird auch der Film gezeigt, den ein Team derzeit über „Mitten unter uns“ dreht. Die drei Überlebenden des KZ Katzbach wollen auch kommen.