https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/kultur/ulrich-tukur-im-interview-ueber-seine-rolle-im-frankfurter-kiezpalast-18626797.html

Ulrich Tukur in der Alten Oper : „Ein Gang durch die Halbwelten“

Vielseitiger Conférencier: Ulrich Tukur Bild: dpa

Als Schauspieler, Sänger, Akkordeonspieler, Pianist und Moderator hat Ulrich Tukur viel zu tun im neuen „Kiezpalast“ mit dem hr-Sinfonieorchester in der Frankfurter Alten Oper: Es geht um die Vermittlung klassischer Musik.

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          Herr Tukur, am 2. Februar startet die Alte Oper in Frankfurt mit dem hr-Sinfonieorchester das neue Format „Kiezpalast“. Dem Titel nach ist es eine Art „Lasterhöhle“, durch die Sie das Publikum künftig einmal je Saison als Moderator, Schauspieler, Sänger, Pianist und Akkordeonspieler führen wollen. Worum geht es da? Was erwartet die Besucher?

          Guido Holze
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Na ja, es ist ein Gang durch die Unterwelten und die Halbwelten Frankfurts, ein Besuch der Katakomben, Kanalisationen, Bergwerke und Höhlen, die sich tief und unsichtbar unter unseren Füßen befinden. Und wir hören Musik, die den sich öffnenden Abgrund hoffentlich mitreißend veranschaulicht. Mit meinem Freund Uli Heissig, der die Texte schrieb und auch die Regie übernimmt, habe ich mich in mehreren Sitzungen zusammengesetzt, um dem Projekt Leben einzuhauchen. Mit dem hr-Sinfonieorchester haben wir natürlich ein musikalisches Pfund, mit dem wir hervorragend wuchern können. Und jetzt müssen wir zusehen, dass wir aus all dem Material und den musikalischen Einlagen einen substanziellen Abend zimmern. Ob uns das gelingen wird, wissen die Götter. Ich hoffe es. Es ist in der Vorbereitung sehr, sehr viel Arbeit und eigentlich schon fast zu schade, damit nur einen einzigen Abend zu bestreiten.

          Wie kam es zu der ungewöhnlichen Idee? Welche Hoffnungen verbinden sich damit?

          Markus Fein, der Intendant der Alten Oper, den ich bei den niedersächsischen und mecklenburgischen Musikfestspielen kennen- und schätzen gelernt habe, trat mit diesem Projekt an mich heran. Es war erst einmal eine Idee, er hatte auch schon den Titel „Kiezpalast“ parat. Der Kiez zwischen Innenstadt, Westend und Bahnhofsviertel, den er musikalisch einfangen wollte in einem Format mit klassischer und neuer Musik, das auch jüngere, nicht unbedingt klassikaffine Menschen ansprechen und begeistern sollte. Für die erste Ausgabe des „Kiezpalasts“ haben wir uns dann auf das Thema und den Titel „Unterwelten“ geeinigt. Und dazu gibt es ja ganz viel Musik. Ich war anfangs etwas zögerlich, weil ich nicht wusste, was da auf mich zukommen würde. Herr Fein hat mich dann einfach so lange bearbeitet, bis ich irgendwann aufgab und zusagte. Und jetzt habe ich den Salat und muss schauen, dass die Chose irgendwie aufgeht. Ich bin der Conférencier, der unterhält und musiziert, aber auch mit Fakten daherkommt, die die komplexe Welt der Unterwelten ein bisschen erklären sollen. Es geht hinab in die Katakomben und versteckten Hohlkammern mit Werken von Respighi, Wagner, Schönberg oder Mussorgski. Aber es werden auch gefälligere Stücke von Friedrich Hollaender, Kurt Weill und Gert Wilden dabei sein.

          Gibt es dazu eine spezielle Lichtregie oder Theatereffekte?

          Wir haben relativ wenig Möglichkeiten, natürlich arbeiten wir mit Licht und Geräuschen. Aber leider können wir kein Bildmaterial einsetzen. Es gibt das fabelhafte hr-Sinfonieorchester und meine Wenigkeit. Das muss genügen. Uli Heissig ist Kabarettist. Er hat Hildegard Knefs fiktive Schwester Irmgard erfunden und schreibt sehr witzige, geistreiche Texte. Außerdem ist er ein profunder Kenner der klassischen Musik. Das war ganz wichtig.

          Was für Unterwelttypen werden Sie denn so verkörpern?

          Eine Prostituierte, einen pädophilen Regierungsrat, einen Hausmeister, der sich um die Heizungsanlagen im Opernkeller kümmert, und wenn man weiß, dass unterhalb von Frankfurt 1600 Kilometer Kanalisationsschächte verlaufen, dann kann man in den Abwasserlachen herumspazieren. Wer sind die Menschen, die dort unten arbeiten und verhindern, dass uns die Fäkalien um die Ohren fliegen? Erinnert man sich noch an die Hetzjagd in der Kanalisation der Stadt Wien im Jahre 1948 in dem wunderbaren Film „Der dritte Mann“? An die atmosphärische Zithermusik von Anton Karas? Dann gibt es natürlich auch sehr gruselige Beschreibungen der Katakomben von Rom und Paris. Oder das Klarissinnen­kloster S. Maria della Consolazione, wo die Nonnen im Kellergewölbe des Konvents auf Geheiß ihrer Äbtissin den Verwesungsprozess ihrer verstorbenen, auf steinernen Stühlen festgeschnallten Mitschwestern studieren mussten, um über die Vergänglichkeit des irdischen Daseins zu meditieren. Sie sehen, es wird ein lustiger Abend in der Unterwelt.

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