Timmy Rough von den New Roses : „Exzess und Melancholie“
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Ich lebe in vielen Bereichen meines Lebens in direktem Widerspruch zu mir selbst. Fern- und Heimweh. Be- und Entschleunigung, Gesundheit und Exzess, Ruhm und Abgeschiedenheit. Zu Beginn meines Weges glaubte ich, mich für eine Seite entscheiden zu müssen. Es hat mich fertig gemacht. Ich liebte es, auf der Bühne zu stehen. Ich hasste es aber, im Mittelpunkt zu stehen. Meine Rolle als Frontmann und Entertainer war mir sehr unbehaglich und ich musste erst an den Punkt gelangen, an dem ich erkannte, dass ich mich nicht entscheiden muss, sondern eine Balance finden. Widersprüche sind in meinem Leben nun keine Anomalie mehr. Nichts mehr, das korrigiert werden muss. Seit dieser Erkenntnis fühle ich mich auch in meiner Rolle als Frontmann wohl. Ich bin aber mit Sicherheit kein Naturtalent in Bezug auf die Bühne. Ganz gewiss nicht.
Das aktuelle New-Roses-Album heißt „Nothing But Wild“ – nur ein Titel oder auch eine Selbstbeschreibung?
Ein bisschen was von beidem. Es beschreibt aber wohl eher den Verlauf der letzten Jahre. Wir haben an Orten gespielt, über die wir nur im Flüsterton zu sprechen wagten. Man sammelt so viele Eindrücke und wird mit den verschiedensten Emotionen in kürzester Zeit konfrontiert, dass es einen regelmäßig aus der Bahn wirft. Aber der Titel trägt auch den jugendlichen Leichtsinn weiter in der Band, der uns seit Beginn dieser Reise antreibt und begeistert.
Als Sie angefangen haben, eigene Songs zu schreiben – hatten Sie Angst, zu scheitern?
Selbstverständlich. Es ist etwas sehr persönliches. Etwas, das deinen Charakter offenbart und deinen Intellekt. Sich zu blamieren, Spott zu ernten und abgelehnt zu werden ängstigte mich am Anfang sehr. Ich bemerkte aber bald, dass diese Angst meine Songs und den Rest meiner Ambitionen vergiftete. Es lähmt die Kreativität und ich begann mich zu fragen, was ein „Scheitern“ eigentlich definiert. Ich kam zu der Erkenntnis, dass nur ich allein einzuschätzen vermag, ob ich gescheitert bin. Ob ich alles gegeben, mein Potential voll ausgeschöpft habe. Ich muss nur vor mir selbst bestehen. Das klingt sehr simpel, erfordert aber eine Menge Selbstreflexion und Ehrlichkeit. Viele der Songs, die wir veröffentlicht haben, würde ich heute nicht mehr so schreiben. Aber schämen tue ich mich auch nicht dafür. Es war das Beste, was mir im damaligen Moment eben möglich war. That‘s alright with me.
Verfolgen Sie eine Botschaft oder wollen Sie einfach nur gute Songs schreiben?
Meine persönliche Botschaft verbirgt sich meist eher zwischen den Zeilen. Wir haben als Band eine gemeinsame Schnittmenge gefunden, hinter der wir alle stehen können. Ich grüble gern und stelle mir die „großen Fragen“, während einige der Jungs die Band eher als Ventil sehen, eine Vergnügungsinsel im Meer des Wahnsinns. Und das ist auch völlig okay für mich. Eines der wichtigsten Merkmale dieser Band ist aber für mich das, wofür wir nicht stehen: Wir sagen niemandem, was er tun soll, wen er wählen soll, wen er hassen soll. Wir beanspruchen nicht die Weisheit für uns, zwischen richtig und falsch unterscheiden zu können. Wir stacheln nicht an oder glauben komplizierte politische Zusammenhänge in dreieinhalb Minuten erläutern zu können. Wir wollen den Leuten positive Energie einflößen. So wie ein Spaziergang im Wald, nur ein bisschen lauter. Wir wollen viele Menschen zusammen bringen und verbinden. Wie wenn man um ein geistiges Lagerfeuer sitzt, die Flasche wandern lässt und zusammen singt.
Welches Lebensgefühl treibt Sie an, wer oder was inspiriert Sie?