Neuer Jan-Seghers-Krimi : Ein Koffer in Berlin
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Ortswechsel: In „Der Solist“ blickt Matthias Altenburg Richtung Hauptstadt – auf islamistischen Terror, Rechtsextremismus und redliche Polizeiarbeit. Bild: Gaby Gerster
Adieu, Marthaler: Matthias Altenburg hat wieder einen Jan-Seghers-Krimi geschrieben. Mit neuem Ermittler, der Teil einer Berliner Sondereinheit ist. Am Dienstag stellt er ihn live aus Frankfurt vor.
Das Haus steht in Frankfurt. Zwischen Friedberger Warte und Bad Vilbel, gleich hinter der Autobahn, eingeklemmt zwischen ihr und der Ausfallstraße, gegenüber der Unfallklinik. Als er es sah, hatte Matthias Altenburg eine Eingebung: „Da wusste ich, was da für eine Frau leben muss.“ Es ist die Mutter seines neuen Ermittlers, einst auf unklare Weise in die Gewalttaten der Roten Armee Fraktion verstrickt, im Leben des von der Großmutter aufgezogenen Sohnes daher weitgehend abwesend, von ihm trotzdem auf seltsam treue Weise geliebt und verehrt, nun körperlich gebrochen, aber noch immer ein großer Fan von „Wetten, dass“ und Thomas Gottschalk.

Kulturredakteur in der Rhein-Main-Zeitung.
Altenburgs neuer Krimi, den er wie immer unter dem Namen Jan Seghers verfasst hat, verlässt das Rhein-Main-Gebiet aber schon nach wenigen Seiten und folgt dem Mann, nach dem er benannt ist, nach Berlin. „Der Solist“, das ist Neuhaus, sonst beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden tätig, seit kurzem jedoch Teil einer Berliner Sondereinheit, gegründet nach dem Versagen der Sicherheitsbehörden während der Überwachung des Terroristen Anis Amri, der 2016 bei seinem Attentat auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche elf Menschen tötete.
Im September 2017 kommt Neuhaus kurz vor der Bundestagswahl gerade rechtzeitig in die Hauptstadt. Ein „Kommando Anis Amri“ erschießt vor einer Synagoge einen schwulen Juden, später wird eine liberale Muslimin in ihrer Wohnung ermordet. Was die Ermittlungen der Einheit und ihres aus Wiesbaden entsandten Mitglieds ergeben, verrät Altenburg möglicherweise am Dienstag im Literaturhaus. Hier nur so viel: Es ist nicht alles, wie es scheint.
„Ich fand es erfrischend, den Ermittler zu wechseln“
Und welche Rolle spielt bei all dem Marthaler? Robert Marthaler, Kommissar in Frankfurt, beliebt bei Kollegen und Lesern, der mit seiner ruhigen Persönlichkeit, seinen ermittlerischen Fähigkeiten und seinem Hang, hinter die Dinge zu sehen, seit 2006 sechs erfolgreiche Krimis auf die Bestsellerlisten und ins Fernsehen getragen hat? Er ist noch nicht im Ruhestand, aber sein Autor hat ihn trotzdem einstweilen in Pension geschickt. Schließlich ist Neues künstlerisch oft besser als Altes. Ganz gewiss für den Autor: „Ich fand es erfrischend, den Ermittler zu wechseln.“ Und damit meist auch für die Leser.
Trotz des Drangs der Handlung in die Hauptstadt aber haben nach wie vor die Frankfurter das Privileg, im Vorbeifahren einen Blick auf den Schauplatz des ersten, ziemlich verblüffend geschriebenen Mutter-Sohn-Kapitels werfen zu können. In normalen Jahren kämen sie zudem allein in den Genuss der Buchpremiere. Da die Vorstellung des Romans im Literaturhaus ohne Saalzuschauer stattfindet und pandemiebedingt als Livestream aus dem Lesesaal gesendet wird, ist es diesmal jedoch, passend zur Ausweitung des Aktionsraums im Buch, auch Seghers-Fans an anderen Orten möglich, den ersten Auftritt ihres Autors mit seinem neuen Titel zu verfolgen.