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Museum Bensheim : Rose, Rosa und das blaue Mädchen

Rosa Loy, „Zuwendung“, 2020 Bild: Rosa Loy, VG Bild Kunst Bonn

Mit der Ausstellung „Doubletten“ zu Arbeiten der Künstlerinnen Rosa Loy und Rose Wylie ist dem Museum Bensheim ein Coup gelungen.

          2 Min.

          Das darf man allemal einen Coup nennen. Auch wenn es hier keine langen Schlangen auf dem Marktplatz, keine Timeslots zu buchen gibt für diese fulminante Ausstellung und sich die Besucher nicht wie in den Blockbuster-Ausstellungen dieser Welt buchstäblich auf den Füßen stehen. Dabei ist es schon ein kleines Wunder, dass sich eine Galerie wie die Leipziger Galerie Kleindienst, dass sich auch eine der weltweit operierenden Adressen wie David Zwirner überhaupt darauf eingelassen hat, mit in dieses kleine Boot zu steigen. Für eine Ausstellung mithin nicht in der Tate Britain, der Serpentine Gallery oder im Stedelijk Museum Gent, wo Rose Wylie in den vergangenen Jahren ausgestellt hat.

          Christoph Schütte
          Freier Autor in der Rhein-Main-Zeitung.

          Sondern, wie Museumsleiter Christoph Breitwieser sein Haus charakterisiert, im einst als „Universalmuseum en miniature“ konzipierten Museum Bensheim an der Bergstraße. Sicher, in den vergangenen Jahren hat sich das in einem ehemaligen Zehntgebäude des Klosters Lorsch untergebrachte Haus über seinen Ruf als Heimatmuseum hinaus wiederholt mit Präsentationen zeitgenössischer Kunst und insbesondere aktueller Malerei einen Namen über die Region hinaus gemacht. Aber mit Rosa Loy und Rose Wylie zwei international bekannte Positionen in einer dialogischen Ausstellung zusammenzuführen, das hätte man in einem vergleichsweise kleinen, abseits der breit ausgetretenen Kunstpfade gelegenen Museum nicht unbedingt erwartet.

          Rose Wylie, „Pink News Reader“, 2022
          Rose Wylie, „Pink News Reader“, 2022 : Bild: Rose Wylie

          Surrealer Realismus trifft Pop und Punk

          Mehr noch, im Grunde konnte man auch nicht damit rechnen, dass Loys märchenhafter, sanft surreal grundierter Realismus einer der Hauptvertreterinnen der Neuen Leipziger Schule mit der lustvoll zwischen Pop und Punk, Art brut und Bad Painting schillernden Kunst der 1934 geborenen englischen Malerin zusammengeht. Beide aber kennen sich seit gut und gerne zwanzig Jahren. Und schätzten sich schon vor dem kometenhaften Aufstieg Wylies, der erst Fahrt aufnahm, als sie schon auf die achtzig zuging. Weshalb die „Doubletten“ überschriebene Schau nicht nur eine Reihe von Gemälden der beiden Künstlerinnen dialogisch in Beziehung setzt.

          Mit „Kris und das blaue Mädchen“ findet sich auch eine gemeinschaftlich entstandene, mehrfach zwischen Loys Atelier in der Leipziger Baumwollspinnerei und Wylies Studio in Kent hin- und hergeschickte Papierarbeit unter den Exponaten. Überhaupt sind es insbesondere die Zeichnungen, Druckgrafiken und Collagen, die allein schon den Ausflug an die Bergstraße lohnenswert erscheinen lassen. Es sind einerseits die im Vergleich zu ihren stets in gebrochenen, an die Farbigkeit des sozialistischen Realismus anknüpfenden Bildern federleichten Papierarbeiten Loys und andererseits die Studien Wylies etwa für ein schlicht großartiges Blatt wie „Scissor Girl“, die hervorstechen.

          Finissage mit Rosa Loy

          Ganz abgesehen davon, dass man das Werk Wylies, die pastos auf die rohe Leinwand gehauenen Figuren und ihre unentwegt entstehenden, verworfenen und neu begonnenen Zeichnungen, in Deutschland bislang noch immer erstaunlich wenig kennt. Und auch Loy, die am 11. April zur Finissage in Bensheim ihren 65. Geburtstag feiert, lässt sich hier noch einmal neu entdecken. Als eine Künstlerin, deren im Wortsinne fabelhaftes Werk den Betrachter nicht nur wie „ein schützender Elfenreigen“ umfängt, wie Neo Rauch die Gegenwart der bevorzugt weiblichen Figuren ihrer Malerei im gemeinsamen Zuhause einmal charakterisiert hat.

          Rosa Loy, „Verwandtschaft“, 2006
          Rosa Loy, „Verwandtschaft“, 2006 : Bild: Rosa Loy, VG Bild Kunst Bonn

          Sicher, bei aller stilistischen und insofern schon mal heikel zu nennenden Nähe zum Werk ihres Mannes scheint Loys wie geträumte, in Kasein auf Leinwand realisierte Malerei von einer romantisch-heiteren Farbe getragen. Vor allem aber lassen ihre Bilderzählungen dem Kunstbetrachter jenen Raum, den man vor den verrätselten, womöglich eher albgeträumten Kompositionen Neo Rauchs schon mal vermisst. Wie gesagt, ein Coup. Und eine äußerst anregende Ausstellung. Und mit ein wenig Glück hat man sie an einem Wochentag tatsächlich ganz für sich allein.

          ■ Rosa Loy und Rose Wylie – Doubletten Ausstellung im Museum Bensheim, Marktplatz 13, bis 11. April, Do und Fr von 15 bis 18 Uhr, am Wochenende von 12 bis 18 Uhr. Finissage mit Rosa Loy am 11. April von 18 Uhr an.

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