Regisseurin am Schauspiel : Die glückliche Gastarbeiterin
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Als wäre man im All unterwegs: Mateja Koležnik steht im Großen Haus des Schauspiels Frankfurt, im Bühnenbild von „Yvonne, die Burgunderprinzessin“. Bild: Wonge Bergmann
Mateja Koležnik ist eine Art Newcomer-Star der deutschsprachigen Szene. Für sie ist das ein Segen – denn in ihrer Heimat Slowenien bricht die einstmals blühende Kunstszene zusehends zusammen. Nun inszeniert sie am Schauspiel Frankfurt.
Wenn sie einen Gang entlangfegt, meint man das Aufwirbeln der Luft zu sehen. Womöglich sogar so eine Art Kraftfeld. Was für eine Energie! „Quatsch“, sagt Mateja Koležnik trocken und lacht herzhaft. „Ich bin nur neurotisch.“ Scheinen sehr beflügelnde Neurosen zu sein, die Mateja Koležnik umtreiben. Die Regisseurin ist eine zierliche Person mit zarten, kleinen Händen, denen man ansieht, dass sie fest zupacken kann.
Koležnik sitzt in der Panorama Bar des Schauspiels Frankfurt und schaut nach draußen. Wie der Raum wirkt, wenn abends das Licht gedämmt ist und draußen das Stadtleben pulsiert, hat sie nicht erleben können. Sie weiß auch nicht, wie das Frankfurter Publikum ist, für das sie jetzt probt. Und erst recht nicht, wann ihre Inszenierung von Witold Gombrowicz’ „Yvonne, die Burgunderprinzessin“ gezeigt werden kann.
Dabei hat es, am Tag vor der eigentlich geplanten Premiere, genau so ausgesehen, wie sie das Stück in ihren wildesten Träumen vor sich sah: „schnell, leicht, spielerisch, zynisch und stark“. Nun müssen Manja Kuhl, Peter Schröder, Katharina Linder und ihre Kollegen sich diese Dynamik bewahren, bis der Vorhang wirklich hochgeht und Raimund Orfeo Voigts gigantisches Bühnenbild bespielt wird.
Sie hat das Konzept der Pandemie angepasst
Schon vor zwei Jahren hätte sie „Yvonne“ inszenieren sollen, eine schwere Krankheit kam ihr dazwischen. Nun hat sie das Konzept der Pandemie angepasst. Yvonne, die Unpassende am Hof, kehrt an den anderen hervor, wie die Gesellschaft mit dem Unpassenden umgeht. Sie wird absichtsvoll an Karauschengräten erstickt. „Das Stück endet so schön!“, sagt Koležnik dazu. Der Staat töte unentdeckt den Stein des Anstoßes – das kennten Osteuropäer doch allzu gut.
Die tragikomische Groteske, geschrieben 1935, aber erst 1957 uraufgeführt, hat nicht nur selbst eine verschlungene Geschichte und wird nicht gerade häufig gespielt. Mit dem Stück hatte Koležnik noch eine Art Rechnung offen. Die „Yvonne“ war 2012 ihr Debüt im deutschsprachigen Raum. „Ich habe es total versaut“, sagt sie. Damals habe sie nur danach gefragt, was Yvonne sei. Heute geht es ihr um die anderen. Mag sein, trotzdem hat die „Yvonne“ von 2012 am Schauspiel Chemnitz sich als Scheideweg entpuppt.
Seither ging es Schlag auf Schlag: Residenztheater München, Schauspiel Stuttgart, Theater in der Josefstadt, Berliner Ensemble, Bayerische Staatsoper. 2017 hat sie für Ibsens „Die Wildente“ an der Josefstadt den Nestroy-Preis bekommen. Von Frankfurt aus reist Koležnik jetzt direkt nach Wien, ans Burgtheater.
Eine tiefe Liebe zur deutschen Kultur
Seit acht Jahren ist Koležnik so eine Art Newcomer-Star der deutschsprachigen Szene – mit Ende 50. Ein Segen, sagt sie. Nicht nur weil sie, „sozusagen in der Midlife-Crisis“, ein neues, erfolgreiches Kapitel aufschlagen konnte. Denn in ihrer Heimat Slowenien breche die einstmals blühende Kunstszene zusehends zusammen, Geldmangel und politische Fehlentscheidungen ruinierten den traditionellen Reichtum, zumal des Theaters. Wer bekannt und gefragt ist, geht ins Ausland. „Ich habe das slowenische Theater geliebt, es war so gut“, sagt sie. Es habe zuvor nie Gründe gegeben, wegzugehen.