Das kommt davon. Wenn man sucht und sucht und sucht und sich doch nichts finden will. Nicht das jedenfalls, was man, genauer: was Dimitrios Tsatsas sich vorgestellt hatte. Eine Tasche nämlich, zeitlos, klassisch und aus Leder, Dazu in einer Qualität, dass man nicht nur einen Sommer lang Freude daran hat. Was also tun? Wenn immer etwas fehlt, nicht gut genug ist oder schlicht zu klein, für einen Mann womöglich nicht in Frage kommt oder unter Bedingungen gefertigt wird, die man nicht unterstützen mag. Die Geschichte, die es nun zu erzählen gilt, ist im Grunde die Geschichte eines Mangels. Einer Verlegenheit, wenn man so will, und sie klingt vielleicht gerade deshalb eigentlich zu schön, um wahr zu sein.
Dabei liegt die Lösung doch bei Licht besehen nahe: Man macht sich einfach selbst an die Arbeit. Weil man als Industriedesigner, der Tsatsas nach seinem Studium an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung erst einmal gewesen ist, nun mal am besten weiß, was man will, was man braucht und was womöglich eher nicht, und weil zufällig der eigene Vater seit Jahrzehnten für bekannte Marken arbeitet mit seiner Feintäschnerei.
So ging es los. Es hätte dabei bleiben können. Papa Vasillios freilich musste dann noch öfter ran. War doch die Begeisterung unter Freunden und Bekannten derart groß, dass bald eine zweite, dritte, vierte Tasche des heute als „Lucid“ vermarkteten Modells die Offenbacher Werkstatt verließ.
„In die Köpfe der Designer schauen“
Das ist jetzt rund zehn Jahre her, und was daraus geworden ist, lässt sich im Deutschen Ledermuseum in Offenbach nachvollziehen, das dem Label zum Geburtstag eine großartige Ausstellung eingerichtet hat. Denn tatsächlich ist nicht nur ein Großteil der mittlerweile mehr als sechzig Taschen, Täschchen, Beutel und Accessoires zu bestaunen, die Esther und Dimitrios Tsatsas seither in ihrem Atelier im Frankfurter Gallusviertel entworfen haben. Die erste „Lucid“ etwa in klassischem Schwarz, auf deren Basis mit „Fluke“ bald schon der erste veritable Klassiker des Labels entstand; die Businesstasche „Coen“, mit der Hillary Clinton viel beachtet in den Präsidentschaftswahlkampf zog, „Linden“, „Anvil“ und „Anouk“, „Shift“ und „Rhei“ und „Malva“ und und und.
Selbst das eine oder andere Modell, das wie „Nexus“ erst im Laufe dieses Jahres auf den Markt kommt, stellen Tsatsas schon einmal im musealen Kontext vor. Und schon das ist immer wieder außerordentlich verführerisch, bleibt man eine Weile vor einer der Vitrinen oder den spektakulär im Raum kreisenden Exponaten stehen – und hielte jetzt das Karussell, wo doch gerade keiner guckt, am liebsten einmal an. Der Clou der Schau ist, dass sie nicht nur die Ergebnisse und also die Modelle inszeniert. Und die Taschen zeigt – geradeso, wie sie auf der ganzen Welt auch in ausgesuchten Schaufenstern zu sehen sind und wie sie Tsatsas schon seit Jahren auch im eigenen Showroom auf der Pariser Fashion Week vorstellt.