Theater für Kinder : Liebe zur Lücke
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Sie haben ein knallblaues Gummiboot: Gesa Bering, Katharina Speckmann und Kim-Andreas Willems (von links) bilden das Kollektiv Monstra. Bild: Marina Pepaj
Bereicherndes Patchwork: Das Theaterkollektiv Monstra macht Stücke für Kinder und alle anderen, derzeit im Theaterhaus Frankfurt.
Was wohl das Geheimnis sein mag? Vielleicht, wer in wen aus der Klasse verliebt ist? Ob das Publikum das Geheimnis erfährt, hängt von einer einzigen Person ab. Derjenigen, in deren Ohr Katharina Speckmann ganz am Anfang von „Monstra in Love“ das Geheimnis verrät. Manche bleiben standhaft, manche nicht am Ende der einstündigen Performance. Vieles bleibt offen und ungesagt, auch während Speckmann, Gesa Bering und Kim Willems auf der Bühne über Liebe auf den ersten Blick, Knutschen, Liebesbriefe und einen fernen eisigen Planeten sprechen, auf dem man so richtig seine Ruhe hat, ohne Liebesgesäusel, liebesverrückte Klassenkameraden und Gehänsel, wie es schon ältere Grundschüler kennen. Jeder kann für sich die Bilder aufnehmen und interpretieren, Fäden von Geschichten aufnehmen oder verwerfen.
Monstra, was nicht umsonst an die Tätigkeit des Zeigens und an Monster, aber nur an sehr nette Theatermonster, erinnert, heißen die drei Schauspieler als Kollektiv. Sie sind zwischen Ende zwanzig und Anfang dreißig, ausgebildet am Gießener Institut für Angewandte Theaterwissenschaften, sesshaft in Frankfurt und tätig in allen Himmelsrichtungen und vielen Zusammenhängen. Speckmann arbeitet für Erwachsene auch in der Gruppe „Zaungäste“ um die Regisseurin Susanne Zaun mit und gehört neuerdings auch zum Flux-Büro, das Theater in Schulen und in den ländlichen Raum bringt.
Bering ist für junges Publikum am Theater in Freiburg engagiert und führt Regie am Landestheater Tübingen, zusammen mit Stephan Dorn macht sie Performances für Erwachsene, genau wie Willems für seine Abendstücke ein Gespann mit Meret Kiderlen bildet und sonst als Theaterpädagoge arbeitet.
Ungewöhnliche, offene, performative Theaterstücke
Ein Patchwork, das bereichernd ist, man lerne ungeheuer viel, wenn man Theater für junges Publikum mache, sagt Bering. Das allein allerdings würde nicht zum Leben reichen – noch nicht. Für die nächsten drei schon programmierten Projekte etwa ist bislang keine städtische Förderung in Sicht, die Voraussetzung dafür ist, auch bei anderen Töpfen Geld zu beantragen.
Zusammen erarbeiten sie ungewöhnliche, offene, performative Theaterstücke „für Kinder und alle anderen“. Der Punkt sei, sagt Willems, dass die Zuschauer gleich welchen Alters Sinn auch selbst stiften dürften. Er muss es wissen, ist er in „Monstra in Love“ doch der galaktische Hase im Planetenkostüm, der Bering, die in der Aufführung beteuert, sie werde sich ganz gewiss niemals in irgendjemand anderen verlieben, einen geheimnisvollen Kristall überreicht, der zu leuchten beginnt. So, denkt man sich als Zuschauer, könnte es wohl sein, das mit dem plötzlichen Sichverlieben. „Verstehen muss gar nicht immer sein“, sagt Bering: „Es kann auch offen und schön sein.“ Oder, wie Speckmann formuliert: „Nicht verstehen kann Spaß machen. Das ist ein Statement, das uns am Herzen liegt.“
Eine eigene Handschrift
Denn es zeige sich in den Gesprächen nach den Vorstellungen regelmäßig, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene sich schon im Theatererleben selbst intensiv mit den Fragen beschäftigen, die in den Stücken angelegt sind. Mit bisweilen skurrilen Bühnenbildern, seltsamen Charakteren und subtiler Ausleuchtung, mit Pausen, Leerstellen, Mut zur Langsamkeit und direkter Ansprache sowie offenen Assoziationsräumen versucht die Gruppe, durch Licht, Raum, Bewegung und Ton eine Wirklichkeit herzustellen, die in derjenigen ihrer Zuschauer durchaus Ungewohntes freisetzen kann.
Dass ihr Studium bei Heiner Goebbels sie geprägt hat, ist deutlich zu spüren. Damit vertreten Monstra regional eine eigene Handschrift, auf charmante Weise radikal in dem, was sie unter „Raum für die eigene Phantasie“ verstehen.
Witzig, ästhetisch anspruchsvoll und dem Publikum zugewandt – diesen Zugang haben sich die drei erarbeitet, seit sie einander in der Spielzeit 2016/17 kennengelernt haben, dank des Förderprogramms „next generation“, das das hiesige Festival „Starke Stücke“ sowie der Mousonturm für den künstlerischen Nachwuchs im Kinder- und Jugendtheater organisiert hatten. Speckmann war damals mit dem Konzept für „Alice“ auf der Suche nach Partnern. Die Rechnung ging auf. Dass sie für ihr Engagement anerkannt und geschätzt werden, spüren die drei auch durch den Kontext, in dem sie arbeiten.
Angedockt sind sie an das Theaterhaus Frankfurt, wo Monstras zwei Jahre alter Erstling, „Alice sagt, Senf ist ein Vogel“, für alle Kinder von vier Jahren an weiter gespielt wird und nach „Monstermorphosen“ nun auch „Monstra in Love“ zu sehen ist. Sie kooperieren mit dem alteingesessenen Theater Grüne Soße. Auch für „Monstra in Love“ standen das Kinderensemble der Grünen Soße und zahlreiche Kollegen ihnen für Recherche und Austausch zur Verfügung. Sie könnten, beteuern die drei, noch viel mehr machen, wenn sie die Möglichkeit hätten. Ideen haben sie mehr als genug.
„Monstra in Love“´ ist im Theaterhaus Frankfurt, Schützenstraße 12, noch am Freitag von 11 und 19 Uhr an zu sehen.