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Anne Bohnenkamp-Renken : Türöffnerin in eine Welt des Nachdenkens

Im Frankfurter Goethehaus: Anne Bohnenkamp-Renken erhält den Hessischen Kulturpreis aus der Hand von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Bild: Wonge Bergmann

Ohne sie kein Romantikmuseum in Frankfurt: Im Goethehaus erhält Anne Bohnenkamp-Renken den Hessischen Kulturpreis aus der Hand von Ministerpräsident Boris Rhein.

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          In Heathrow hat sie ihre Rede geschrieben, am Morgen der Preisverleihung, im Trubel des Londoner Flughafens. Kein idealer Ort, um über die Romantik nachzudenken, sagt Anne Bohnenkamp-Renken im Hof zwischen Goethehaus und Volksbühne In Frankfurt. Immer sei da der Blick auf die Anzeigetafeln. Klappt alles, geht es jetzt los?

          Florian Balke
          Kulturredakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Am Abend zuvor hat sie vor den Mitgliedern der English Goethe Society die Wilkinson-Willoughby-Vorlesung gehalten, nach Wolf Lepenies und Alfred Brendel in den Jahren vor ihr. Sie hat über Goethes Interdisziplinarität gesprochen und über die Rolle von Werden und Entstehen in Werk und Gedankenwelt des Dichters. Jetzt, einen Abend später, wird sie ausgezeichnet für etwas, das sie selbst hat entstehen lassen. Und auf das sie so gespannt warten musste wie Reisende an einem betriebsamen Flughafen. Oder auf einem deutschen Bahnhof.

          Kommt der ICE? Kommt das Romantikmuseum? Zehn Jahre, die „sehr intensiv und fordernd“ gewesen seien, habe es gedauert, bis es schließlich gestanden habe, sagt Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der Bohnenkamp im Arkadensaal des Goethehauses vor dem Beginn des von ihm ausgerichteten Sektempfangs den Hessischen Kulturpreis überreicht hat. In seiner Laudatio hat er sie als eine der „wichtigsten deutschen Literaturwissenschaftlerinnen“ gepriesen: „Mit unermüdlichem Engagement für Kunst, Kultur und Bildung.“

          „Erfolgreich in allem, was Sie tun“

          Das Land Hessen vergibt die mit 45.000 Euro dotierte Auszeichnung seit 1982. In diesem Fall gelte sie der Errichterin eines Museums von internationaler Strahlkraft, das „Türen in eine andere Welt“ öffne, sagt Rhein: „Die Epoche der Romantik wird mit allen Sinnen erfahrbar. Ich bin sicher, dass viele Besucher noch lange darüber nachdenken, was sie aus ihr für heute mitnehmen können.“

          Zudem lehre Bohnenkamp neben der Leitung des Freien Deutschen Hochstifts als Professorin an der Frankfurter Goethe-Universität, gehöre dem Herausgebergremium der historisch-kritischen Hybrid-Ausgabe des „Faust“ an und zähle zum Vorstand der Goethe-Gesellschaft in Weimar: „Sie sind erfolgreich in allem, was Sie tun.“ Was daran liege, wie sie an die Dinge herangehe: „Mit Leidenschaft.“

          Wie man 1500 Spender bezirzt

          Vor Zuhörern wie Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Die Grünen) und dem Frankfurter CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Uwe Becker würdigt Rhein Bohnenkamps jahrelangen Kampf um die Finanzierung des Romantikmuseums, das von Bund, Land und Stadt miterrichtet wurde, ohne die mehr als sechs Millionen Euro Spenden, die Bohnenkamp einwarb, aber nie gebaut worden wäre: „Sie haben mehr als 1500 private Unterstützer überzeugt. Das Museum ist ein Beispiel bürgerschaftlichen Engagements.“

          Bohnenkamp wiederum erinnert an zahlreiche Mitstreiter, unter ihnen Carl Ludwig von Boehm-Bezing, den Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses des Hochstifts, der im Januar 2023 unerwartet starb: „Ohne sein Vertrauen in die Idee und seine tätige Unterstützung hätte ich mich auf diesen Weg nicht machen können.“

          Wenn die Aufklärung aufgeklärt wird

          Das 2021 eröffnete Museum scheine ihr heute dringlicher denn je, fügt sie hinzu. In Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine offenbare die nationale Selbstfindung der Romantik ihre fatalen Folgen, im angesichts des Krieges in der Nachbarschaft angespannten Baltikum, durch das sie im Sommer 2022 gereist ist, zeigt sich für sie eine hellere Seite nationaler Selbstbesinnung und Völkersolidarität.

          Gerade aufgrund dieser Doppelnatur beharrt sie darauf, dass nicht nur die Aufklärung gemeinsames europäisches Erbe sei, sondern auch die romantische Menschensicht, die Phantasie und Kreativität in den Blick rücke: „Die Romantik ist nicht das Andere der Aufklärung, sie ist ihre Fortsetzung, ist Aufklärung der Aufklärung.“ Für Bohnenkamp zielt das Museum dementsprechend auf die Entwicklung des ästhetischen Bewusstseins. Es trainiere das Differenzieren. Und blicke auf Gegenwartsfragen: 2024 gibt es zusammen mit dem Frankfurter Senckenberg-Museum und dem Bad Homburger Sinclair-Haus eine große Sonderausstellung zum Wald und unserem Umgang mit ihm.

          „Ich hatte wirklich Glück“, sagt die 1960 im nordrhein-westfälischen Hilden geborene Komparatistin, die das von Stadt, Land und Bund traditionell zu je einem Drittel finanzierte Hochstift, den Trägerverein von Goethehaus und Romantikmuseum, seit 20 Jahren lenkt.

          Noch immer leite sie eine Institution, die Archiv und Museum zugleich sei, Goethes Elternhaus hüte, als außeruniversitäre Forschungseinrichtung diene und den Bildungsauftrag des Gründungsjahrs 1859 erfülle.

          Sie dankt ihrem Mann, der für ihren Job seine Tätigkeit bei einer Bank in München aufgab, ihren Kindern und ihren Brüdern: „Sie sind es, mit denen zusammen ich in unserem gemeinsamen Kinderzimmer die allerersten Ausstellungen meines Lebens ausgerichtet habe.“

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