Frankfurter Romanfabrik : Segel streichen verboten
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Sind stolz darauf, dass keine einzige Veranstaltung ausfallen musste: Ulla Büker und Ruthard Stäblein im Veranstaltungssaal der Romanfabrik Bild: Saskia Stöhr
Volle Kraft voraus: Ruthard Stäblein ist kommissarischer Leiter der Frankfurter Romanfabrik und sucht nach dem plötzlichen Tod von Michael Hohmann einen neuen Geschäftsführer.
Wie man mit Schriftstellern spricht, hat Ruthard Stäblein in den Fingerspitzen. Jetzt leitet der langjährige Literaturredakteur des Hessischen Rundfunks die Frankfurter Romanfabrik und lernt, wie man vor dem Beginn einer Veranstaltung auf die Garderobe achtet und Mikrofone einrichtet. Nach dem plötzlichen Tod von Michael Hohmann, dem Geschäftsführer des Veranstaltungsorts an der Hanauer Landstraße, musste bis zur Bestimmung eines Nachfolgers kurzfristig jemand seine Stelle einnehmen.
Stäblein, Mitglied im Vorstand des Trägervereins der Romanfabrik, mit Hohmann seit Langem befreundet und Miterfinder der Veranstaltungsreihe „Philosophisches Café“, sprang ein. Ihm hilft Ulla Büker, seit Februar 2008 mit Halbtagsstelle Hohmanns einzige Mitarbeiterin. „Wir haben uns gut eingegroovt“, sagt sie. Obwohl das plötzliche Anpacken nach Hohmanns Tod am 25. Dezember 2022 für beide eine Herausforderung gewesen sei.
Vor seinem Tod hatte sich um Programmplanung und Finanzielles ausschließlich Hohmann gekümmert. Weder Büker noch Stäblein kannten sich wirklich aus. Bis die Hausbank der Romanfabrik ihnen Zugang zum Geschäftskonto gewährte, verging Zeit. Dann waren, wie stets zu Jahresbeginn, lauter Zahlungen zu leisten. „Am Anfang gab es nur Ausgaben“, erinnert sich Büker. Aber nur wenig Geld.
Auch Stäblein hat daher getan, was Hohmann zu Beginn des Jahres wiederholt habe tun müssen, und eigenes Geld vorgeschossen: „Sein Jahresabschluss ist phantastisch. Aber er musste immer gegen den Wind segeln.“ Zum Beispiel gegen den, dass bestimmte Fördergelder erst im Laufe des Jahres zugeteilt werden.
„Es wäre absolut nicht in Michaels Sinne gewesen“
Stäblein und Büker hatten auch sonst viel zu lernen. „Wir haben erst mal einen Techniker geholt, der uns erklärt hat, wie man die Mikros verkabelt und die Lichtregie macht“, sagt Stäblein. Auch das hatte Hohmann selbst übernommen: „Michael musste immer sparen.“ Aber sie haben es gelernt: „Mittlerweile können wir das.“ Und Stäblein lernt die erfreulichen Seiten des Veranstalterlebens kennen: „Wenn Durs Grünbein einem einen Dankbrief schreibt oder man merkt, dass der Saal gut gefüllt ist und die Leute gehen zufrieden nach Hause – das ist wirklich schön.“
Die Segel zu streichen kam für ihn und den Rest des Vorstands nicht infrage. Schließlich ist die 1985 gegründete Romanfabrik eine der ältesten literarischen Einrichtungen der Bundesrepublik. „Es wäre ein Jammer gewesen, jetzt aufzugeben“, sagt Büker: „Denn um ein Aufgeben hätte es sich gehandelt.“ Etwas anderes komme hinzu: „Es wäre absolut nicht in Michaels Sinne gewesen.“
Seit ihrer Gründung durch den „Sudfass“-Besitzer Dieter Engel, den Schriftsteller Peter Zingler, die Autorin Doris Lerche und Akademiepräsident Herbert Heckmann ist die damals noch in einem Keller an der Uhlandstraße beheimatete Romanfabrik als Verein organisiert. Heute gehören ihm etwa 70 Mitglieder an.
Den Vorstand bilden neben Stäblein die frühere Frankfurter Kulturdezernentin Linda Reisch und die Schauspielerin Elettra de Salvo. Sie werden in den nächsten Wochen entscheiden, wer auf den 1954 geborenen Hohmann folgt, der die Romanfabrik seit 1992 lenkte und 1999 auf das vom Investor Ardi Goldman entwickelte Unions-Areal brachte.