Risse im Gespräch
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Eröffnung des Festivals mit Tanja Maljartschuk, Lea Ypi und Gerd Koenen, Viktor Jerofejew Bild: Alexander Paul Englert
Zur Eröffnung des Frankfurter Festivals „Literaturm“ zeigen sich bei Viktor Jerofejew und Tanja Maljartschuk Unterschiede im Umgang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine.
Als Sergej Prokofjew beerdigt werden sollte, musste auch Stalin zu Grabe getragen werden. Für den Diktator gab es im März 1953 alle Blumen, die der sowjetische Winter hergab, für Prokofjew keine einzige. So erzählt es Viktor Jerofejew zur Eröffnung des Festivals „Literaturm“ im Cantate-Saal am Großen Hirschgraben. „Schon damals können wir von zwei Russlands sprechen“, sagt der Schriftsteller, der seine russische Heimat nach Putins Angriff auf die Ukraine verlassen hat: ein Russland der Kultur und eines der Macht. Eines der westlichen Eindrücke, ein anderes der Realität.
Jerofejew spricht nicht über politische Entscheidungen und ihre Bedingungen, sondern greift tief in den kulturgeschichtlichen und geopolitischen Werkzeugkasten, mit dem Künstler, Dissidenten und Intellektuelle sich seit Jahrzehnten einen Reim auf Russland zu machen versuchen. Seine pointiert dualistische Sicht widmet sich nicht dem Russland des derzeitigen Präsidenten, sondern einem unveränderlichen, sich zu seinem eigenen Unglück ewig gleichbleibenden. Das klingt wie seit Jahrzehnten im gescheiten, aber folgenlosen Küchengespräch durchgekaut und befremdet seine Gesprächspartnerin Katerina Stetsevych, Leiterin der Projektgruppe Ost- und Mitteleuropa in der Bundeszentrale für politische Bildung: „Warum weichen Sie in die Vergangenheit aus und stellen sich nicht der Gegenwart?“
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