Mit siebzig hat man noch Träume
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Tot: Schwester Vera Bild: Eugen Sommer
Für Schauspieler ist das Altern besonders hinderlich: Körper und Geist wollen nicht mehr, hin sind all die schönen Rollen. In Erik Gedeons „Ewig jung“ flüchten sich die Bewohner in Songs. Regisseurin Katrin Herchenröther macht daraus eine muntere Revue, für die es in der vollbesetzten Bad Vilbeler Wasserburg begeisterten Applaus gibt.
Bad Vilbel ⋅ Die Schwester zieht sich die Einweghandschuhe über. Und lässt das Latex lustvoll gegen die Haut klatschen. Schwester Vera (Vera Lorenz) hat eine sadistische Ader. Deshalb macht sie zusammen mit den Bewohnern des Pflegeheims für altgewordene Schauspieler kindische Spielchen: „Wir klatschen in die Hände, klatsch, klatsch, klatsch.“ Der infantilen Gemeinheit antworten die Mimen, vom Alter gezeichnet, aber immer noch standhaft, mit eigenen Liedern. Frau Lubosch, ganz Diva im langen Schwarzen mit weißer Nerzstola und einem überaus farbigen Schimpfwörterrepertoire, führt die Truppe in „I love Rock’n’Roll“ an.
Sie ist nur eine der renitenten Alten in Erik Gedeons musikalischer Komödie „Ewig jung“, die nun bei den Bad Vilbeler Burgfestspielen Premiere hatte. Musik und Komödie gibt es reichlich im Stück, das auf Gedeons „Thalia Vista Social Club“ beruht, in Hamburg seit mehr als zwanzig Jahren ein Favorit des Publikums und dort demnächst zum 313. Mal zu sehen, einschließlich der Sitzgelegenheiten an der Rampe und des auch in der Wasserburg präsenten Goldfischglases. Am Thalia Theater hatte das Werk etwas von den Marthaler-Viebrock-Liederabenden, auf seinem erfolgreichen Weg über zahlreiche deutsche Bühnen hat es sich boulevardesk abgeschliffen, was darüber hinwegtäuscht, dass nicht viel passiert und die muntere Revue manchmal hängt, vor allem dann, wenn die überbetonte Gebrechlichkeit zwischen den rasanten Songs besonders langsam wirkt.
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