Cornelia-Katrin von Plottnitz : Ludwig Meidners Muse
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Von Ludwig Meidner vielfach porträtiert: die Frankfurter Stadträtin Cornelia-Katrin von Plottnitz Bild: F.A.Z. - Foto Wolfgang Eilmes
Die Frankfurter Stadträtin Cornelia-Katrin von Plottnitz hat mit sechzehn Jahren den Maler kennengelernt, der zu den bedeutendsten Expressionisten zählt und nach dem Krieg sein Atelier in Hofheim hatte.
Ob sie ihnen einmal einen Besuch in ihrem Atelier abstatten wolle? Damals, im Jazzclub Hofheim, wusste Cornelia-Katrin von Plottnitz nicht, dass die beiden Männer, die sich ihr, dem 16 Jahre alten Mädchen vom Land, vorgestellt hatten, richtige Künstler waren. Erst im Lauf der folgenden Wochen und Monate hat sie gemerkt, dass dieser Ludwig Meidner, der Ältere der beiden, ein weltberühmter Expressionist war, dessen um 1912 entstandenen apokalyptischen Landschaften als visionäre Vorahnungen des Ersten Weltkriegs interpretiert werden. Ihn hatte es in ein Atelier im Hofheimer Stadtteil Marxheim verschlagen, wo er zusammen mit dem jüngeren Mann, seinem Schüler Jörg von Kitta-Kittel, arbeitete.
Frühstück nach 20 Uhr
Meidner feierte an diesem Abend im Jazzclub seinen 75. Geburtstag. Cornelia Walz, wie Frau von Plottnitz damals noch hieß, war zufällig in die von der Frankfurter Galeristin Hanna Bekker vom Rath organisierte Party hereingeschneit – und am Tisch von Meidner gelandet.
Warum sie der Einladung der beiden Kunstmaler gefolgt ist? Vielleicht hat „Conny“, wie Meidner die Schülerin später immer nannte, instinktiv gemerkt, dass dieser „Ludwig“ etwas Besonderes war. Vielleicht war sie einfach nur neugierig. Womöglich suchte sie auch ein wenig Abenteuer in diesem spießigen Hofheim der späten fünfziger Jahre. Auf jeden Fall hat sie die beiden Maler bald darauf in ihrem Atelier, einer alten Werkstatt an der Bahnstraße 51 im Hofheimer Ortsteil Marxheim, aufgesucht.
„Komm nicht vor acht“, hatte Meidner im Jazzkeller zu ihr gesagt. Hier, im Atelier, hat sie verstanden, warum. Ludwig und Jörg, wie sie die beiden immer nannte, waren erst kurz vor 20 Uhr aufgestanden und frühstückten gerade. Nachts, so sagten sie, könnten sie konzentrierter arbeiten, außerdem benötigten sie Kunstlicht. „Dürfen wir dich zeichnen?“, fragten die beiden Kunstmaler. So ist „Conny“ Meidners Muse geworden.
Hingerissen von der Boheme-Atmosphäre
Das Porträt, das er an jenem Abend von ihr verfertigt hat, hängt heute, fünfzig Jahre später, in der Wohnung der ehrenamtlichen Frankfurter Stadträtin im Frankfurter Westend. Eine Rötelzeichnung. Meidner hat sie ihr geschenkt. Das halbe Dutzend weiterer Porträts, darunter welche in Öl, hat Frau von Plottnitz später als Studentin und Lehrerin aus dem Nachlass Meidners gekauft: Erinnerungen an drei Jahre, die ihr kostbar sind, an Begegnungen, die ihrem Leben eine Richtung gegeben haben.
„Conny“ war damals oft in Meidners Atelier. Fast jeden Abend. Sie war hingerissen von der Boheme-Atmosphäre: immer ein mit Essen, Geschirr, Büchern, Zeichnungen, Malutensilien überladener Tisch. Sie war fasziniert von der Weltläufigkeit und dem Wissen Meidners, fühlte sich geschmeichelt durch die Komplimente dieses kleinen Mannes, der ihr Großvater hätte sein können. Sie war angetan von seinen höflichen Manieren, seinen formvollendeten Handküssen, seinen großen Konversationskünsten, die sie beim stundenlangen Modellsitzen vor dem Einschlafen bewahrten. Frau von Plottnitz spricht von einer „flirtiven“ Atmosphäre, nicht immer habe sie so genau gewusst, ob „Ludwig“ sie ernst nahm oder sich ein wenig über sie lustig machte.