Buchpremiere in Frankfurt : Feier der Differenz
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Die Journalistin Hadija Haruna-Oelker bei einer Kundgebung in Frankfurt Bild: Ilkay Karakurt
Mit „Die Schönheit der Differenz“ war die Journalistin Hadija Haruna-Oelker für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse nominiert. Im Frankfurter Literaturhaus hat sie ihr Debüt nun vorgestellt – für die Autorin war der Abend ein Heimspiel.
Dass dieser Abend ein Heimspiel werden wird für Hadija Haruna-Oelker, das spürt man gleich. Besonders laut und besonders lang wird applaudiert, als die Frankfurter Autorin am Dienstagabend die Bühne im Literaturhaus betritt, sogar einige Jubelrufe sind zu hören. Und den Saal, in dem ihre Lesung stattfindet, hat man seit Beginn der Pandemie wohl auch nicht mehr so voller Menschen erlebt.
Der Anlass für Haruna-Oelkers Auftritt: Die freie Journalistin, die für den Hessischen Rundfunk arbeitet und für die „Frankfurter Rundschau“ eine Kolumne schreibt, die selbst auch häufig als Moderatorin auftritt, etwa in der Bildungsstätte Anne Frank, stellt ihr Buchdebüt vor. „Die Schönheit der Differenz“ – ein 500 Seiten starkes Sachbuch über Differenz, Ausgrenzung und Versuche, sie zu überwinden – war, noch bevor es erschienen ist, für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse nominiert. Die Stärke des Buches ist sein biographischer Hintergrund, seine Schwäche der manchmal eine Spur zu akademische Tonfall.
Haruna-Oelker, Jahrgang 1980, Tochter eines ghanaischen Vaters und einer bayerischen Mutter, aufgewachsen in Frankfurt, erzählt darin sehr persönlich von ihrem Bildungsaufstieg, von ihrem „Empowerment“, von ihrer politischen Entwicklung – und verknüpft das Erlebte mit gesellschaftlichen Debatten und identitätspolitischen Diskursen.
„Wir sind niemals nur ein einziges Merkmal“
Als Kind fühlte sie sich oft noch als „Weiße“, doch je älter sie wurde, umso intensiver spürte sie ihrer „schwarzen Geschichte“ nach. Das war häufig auch ein schmerzhafter Prozess: Haruna-Oelker musste, so schildert sie es in ihrem Buch, lernen und erfahren, wie der Rassismus zum Lebensbegleiter wurde. Sie realisierte aber auch, dass eine Identität mehr ausmacht als eine einfache Zuschreibung. „Wir sind niemals nur ein einziges Merkmal“, beschreibt es die Autorin im Frankfurter Literaturhaus im Gespräch mit der Moderatorin Aisha Camara.
Dass Differenz noch immer häufig als Manko, als Mangel gesehen wird, dagegen schreibt Haruna-Oelker an. Sie will sich nicht in „Grabenkämpfen“ aufreiben, sondern dem Schönen der Differenz, dem Positiven und Verbindenden, den Zwischentönen nachspüren. Wir sollen Unterschiede nicht negieren, sondern sie wahrnehmen und darüber sprechen, sagt Haruna-Oelker. Dabei aber sollen wir sensibel und empathisch sein, nicht ausgrenzend. „Neugierig, aber mit Verantwortungsbewusstsein“: So empfiehlt die Autorin die Wahrnehmung des Gegenübers.
Viel hat eine solche sensible Wahrnehmung auch damit zu tun, die eigene Position zu hinterfragen, den Blickwinkel zu verändern. Im Literaturhaus gibt Haruna-Oelker ein Beispiel. Sie berichtet von einer Redaktionssitzung, in der vorgeschlagen wurde, darüber zu schreiben und zu diskutieren, warum Frauen, die das Kopftuch tragen, uns Unbehagen bereiten. Sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, das empfand Haruna-Oelker als richtig. Trotzdem musste sie widersprechen. „Mir bereiten Frauen, die Kopftuch tragen, kein Unbehagen“, entgegnete sie ihren Redakteurskollegen.
Haruna-Oelker erzählt, dass die südafrikanische Ubuntu-Philosophie sie stark geprägt hat. Auch Nelson Mandela, der Überwinder der südafrikanischen Apartheid und Versöhner eines tief zerstrittenen Landes, war von dieser Denkweise geprägt. Ubuntu bedeute, das Gemeinsame zu suchen, nicht die Konfrontation. „Konsens statt Kompromiss“ benennt die Autorin das Prinzip dieses Denkansatzes. Doch von einer Gesellschaft, die Differenzen feiert, anstatt sie zu bekämpfen, seien wir trotz vieler Fortschritte noch weit entfernt. „Wir stehen noch immer am Anfang“, lautet ihre nüchterne Bilanz.