Asiatische Kunst in Frankfurt : Zauber des Unperfekten
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Vollkommenheit: Torso eines stehenden Buddhas, Bronze, Thailand, 13./14.Jahrhundert Bild: Ute Kunze/Museum Angewandte Kunst
Eine Kabinettsausstellung im Museum Angewandte Kunst widmet sich unvollständigen Objekten aus der asiatischen Sammlung. Dabei geht es auch darum, wie die Stücke zum Museum gekommen sind.
Da liegt sie nun, die halbe Hand des Buddhas. Zweieinhalb wunderschöne Finger aus Bronze, golden, grün, geheimnisvoll schimmernd und trotz ihrer Versehrtheit noch immer majestätisch und heilig. Was ist mit ihr passiert? Wo ist der Rest des „kolossalen Buddhas“, zu dem sie einmal gehörte? Vermutlich, sagt Stephan von der Schulenburg, haben Plünderer die Figur auf einem eilig durchgeführten Raubzug beschädigt. Fast alle Gegenstände aus dem Thailand der Sukothai-Periode im 13. und 14. Jahrhundert, die hier in den Vitrinen liegen, haben wahrscheinlich eine solche Geschichte: Sie sind nur noch als Fragmente erhalten. Aber Schulenburg, Kurator für ostasiatische Kunst im Museum Angewandte Kunst (MAK), interessiert genau das: die Unvollständigkeit.
Eine Perspektive, die vor allem ein Museum mit einer Sammlung wie jener des MAK bieten kann. In der es nicht darum geht, dass jedes Objekt in perfektem Zustand sein muss, sondern man an Fragmenten manchmal mehr über eine Zeit, einen Künstler oder eine Technik herausfinden kann, als man sonst gelernt hätte. Schulenburg, der seit dem Jahr 2016 in der Reihe „meet asian art“ immer wieder Stücke aus dem Depot des Museums holt, hat diesmal knapp 50 ausgesucht, die alle beschädigt oder jedenfalls unvollständig sind und ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen. Wer sich ein bisschen Zeit für die Kabinettausstellung im ersten Stock des Museums nimmt und die wunderbaren Beschreibungen im großformatigen Begleitflyer liest, wird feststellen, wie viel Schönheit und Geschichte in den Fragmenten steckt.
„Eine seltene Ausgeglichenheit und stille Kraft“
Ob das nun der Torso eines thailändischen Buddhas ist, von dem der ehemalige Städelschule-Rektor Raimer Jochims sagte, man könne glauben, er sei so konzipiert worden: „Es strahlt als Ganzes eine seltene Ausgeglichenheit und stille Kraft aus.“ Ob das die japanischen Schwertstichblätter sind, die in ihrer Individualität und Feinheit fast wie ein Ausdruck des jeweiligen Charakters jener Samurai wirken, zu deren Schwertern sie gehörten, bevor der Meiji-Kaiser ein Verbot erließ, Schwerter zu tragen – und unzählige verkauft wurden, auch ins Ausland. Oder die Fragmente zweier Stelen aus dem heutigen Pakistan, die vermutlich irgendwann zwischen dem 1. und 5. Jahrhundert vor Christus geschaffen wurden und noch immer bemerkenswert feine Details aus Szenen mit verschiedenen Buddha-Figuren zeigen.
Auch chinesische und koreanische Stücke gehören zu dieser Ausgabe der Ausstellungsreihe, die sich in ihren vorangegangenen Folgen mit Schalen, tierischen und mythischen Wesen im alten China, der Farbe von Jade, dem Blau-Weiß-Porzellan der Wanli-Ära und japanischen Cloisonné-Arbeiten beschäftigt hat. Immer wieder spielt deshalb auch die Frage eine Rolle, wo die Objekte herkommen und welchen Weg sie genommen haben – ob einen rechtmäßigen. Wie aufwendig es ist, das herauszufinden, erklärt Schulenburg am Beispiel eines Buddha-Kopfes aus Stuck, einer Leihgabe aus Privatbesitz, die Teil der aktuellen Ausstellung ist.
Seit zwei Jahren sind er und seine Kollegen auf der Suche nach der Herkunft. Klar ist, dass das Stück „in einer kritischen Phase“, wie Schulenburg sagt, aus Thailand ausgeführt wurde. Nämlich nach dem Jahr 1961, als solche Gegenstände nur noch mit entsprechender Genehmigung und Papieren das Land verlassen durften. Das MAK hat deshalb Kontakt mit dem thailändischen Generalkonsulat in Frankfurt und der Botschaft in Berlin aufgenommen, mit dem Nationalmuseum in Bangkok konferiert und im Bundesarchiv in Unterlagen über den Mann nachgeforscht, der den Buddha den heutigen Besitzern schenkte. Wie er in dessen Besitz kam, ist trotz aller Anstrengungen immer noch unklar.
Fragmente. Über das Unvollständige in der Ostasiatischen Kunst Die Ausstellung ist bis zum 18. September im Museum Angewandte Kunst,Schaumainkai 17, in Frankfurt zu sehen.