Bewusster Einkauf : Blackbox Daunenjacke
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Eiszeit: Moncler ist der Daunen-Spezialist aus Italien an der Goethestraße in Frankfurt. Bild: Helmut Fricke
Nicht nur im Winter, auch im Sommer schlüpft der Mensch heute gern in Daune. Wer nicht möchte, dass dafür Tiere gequält werden, muss sich schlaumachen. Höhere Preise sind kein Indiz.
Wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, will so schnell nicht davon lassen. Daunenjacken sind einfach wunderbar. Sie halten im Winter Nieren und Popöchen - sogar beim Fahrradfahren - warm und sind im Sommer eiserne Reserve für den Abend, wenn es auf der Bank im Biergarten ungemütlich wird. Gerade die Leichtgewichte, die man klein zusammenknuddeln und ohne Knitterschaden wieder entfalten kann, machen große Freude, weil sich dafür in der Tasche oder im Koffer immer noch ein Plätzchen findet.
Bei aller Euphorie fragen sich Konsumenten inzwischen aber auch, wo denn die Daunen herkommen, die in ihrer Jacke stecken, und wie es den Tieren beim Ausrupfen ging. Viele von ihnen kennen die Berichte von Tierschützern, die mit grausamen Bildern dokumentieren, dass das Rupfen von Federn an lebendigen Tieren immer noch weit verbreitet ist.
Daunen nicht nach Herkunft gehandelt
Dabei werden den Gänsen mehrmals im Jahr die Federn bei lebendigem Leib ausgerissen, eine schmerzvolle und zum Teil blutige Prozedur. Für den Züchter ist das wirtschaftlich attraktiv, weil er das Federkleid seiner Gänse mehrmals ausschlachten kann. Auch die schnell gemästeten Stopfgänse sind beliebt, weil mit dem Verkauf der teuren Leber (Foie gras) das billige Gänsefleisch quersubventioniert werden kann.
In Europa ist der sogenannte Lebendrupf schon seit 1999 verboten, allerdings gibt es ein Schlupfloch. Während der Mauser dürfen den Tieren die Federn „abgestrichen“ werden. Raufen heißt das auch. Diese Lücke nutzen Betriebe laut Tierschutzberichten offenbar, um Lebendrupf zu praktizieren, vor allem in Osteuropa und Asien. Nach Angaben des Verbandes der Deutschen Daunen- und Federnindustrie in Mainz importieren deutsche Unternehmen um die 10 000 Tonnen Federn im Jahr, rund 70 Prozent davon aus dem ostasiatischen Raum, etwa China, und 30 Prozent aus Osteuropa (Ukraine, Ungarn, Polen, Russland).
Auf den Etiketten der Daunenjacken selbst findet man dazu so gut wie keine Angaben. Nicole Espey, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Sportartikel-Industrie, der große Hersteller wie Adidas und Puma vertritt, aber auch kleinere wie Vaude und Jack Wolfskin, hat dafür eine Erklärung. Daunen würden nicht nach Herkunft gehandelt, sondern nach Gewicht. Sie würden aus unterschiedlichen Regionen eingesammelt und über Zwischenhändler weiterverkauft. Außerdem gebe es keinen einheitlichen Tierschutz, weder in Europa noch weltweit. „Das macht es so unglaublich schwierig.“
Kunde muss dem Anbieter vertrauen
Schwierig für Kunden ist es auch, sich anhand der Etiketten in den Jacken zu informieren. Sie sind oft mit kleiner Schrift so dicht beschrieben, dass es kaum möglich ist, sie ohne Lupe zu entziffern. Aber auch dann bleiben Fragen offen. Wurde auf Lebendrupf und Stopfmast verzichtet? Das kommunizieren bei einer Stichprobe in Geschäften an der Frankfurter Goethestraße und an der Zeil die meisten Geschäfte nicht. Mit Glück findet man ein „made in“.
Wer danach fragt, kann schnippische Verkäuferinnen erleben, etwa bei Bogner („Dazu haben wir keine Informationen“), aber auch solche, die sich bemühen. Beim italienischen Daunen-Spezialisten Moncler, der mit seinen teuren Luxus-Steppjacken nicht nur bei asiatischen Kunden dick im Geschäft ist, ist ein Verkäufer sehr bemüht. Tief über das Etikett des 900 Euro teuren Steppmantels gebeugt, versucht er Antworten zu finden. Es handele sich um Daune aus Japan, informiert er, verwendet würden ausschließlich Schlachtabfälle und keine Federn von lebenden Tieren, gefertigt würden die Jacken in Rumänien oder Taiwan. Am Ende muss der Kunde wie bei anderen Anbietern darauf vertrauen, dass die Aussagen stimmen.
Kärtchen am Preisschild für gutes Gefühl
„Wir gehen bei unseren Mitgliedsbetrieben davon aus“, sagt Verbands-Chefin Espey. Vor zwei Jahren hatte der Verband einen runden Tisch mit Tierschützern initiiert. Espey lobt die konstruktiven Gespräche. Ohnehin tut sich etwas in der Branche. Alarmiert durch Berichte über Lebendrupf in ihren eigenen Reihen, haben Outdoor-Marken vor zwei, drei Jahren Standards zur Kontrolle von Tierhaltung und Lieferketten initiiert. Responsible Down Standard, kurz RDS, heißt der inzwischen am weitesten verbreitete Standard.
Er stellt sicher, dass kein Lebendrupf stattfindet und dass die Tiere artgerecht gehalten wurden. Das von der Marke The North Face entwickelte Label hat laut Marktbeobachtern das Potential, sich als branchenübergreifende, unabhängige Zertifizierung durchzusetzen. Inzwischen arbeiten auch Hersteller von Alltagsmode damit. So auch der hessische Ökomode-Spezialist Hess-Natur, der die Daunen für seine Jacken von chinesischen Farmen bezieht und in einem Partnerbetrieb dort auch produzieren lässt. Auch die schwedische Modekette H&M hat angekündigt, in diesem Winter bei Daune auf den Standard RDS umzustellen.
An den Jacken selbst ist das für Kunden leider nicht immer zu erkennen. Unternehmen wie Mammut verweisen auf die ausführlichen Informationen zum RDS-Standard auf ihrer Homepage. Anders etwa die Modehäuser Esprit und C&A: Hier hängen RDS-Kärtchen mit am Preisschild - und geben dem Kunden ein gutes Gefühl.
Label & Standards
RDS: Der „Responsible Down Standard“ (RDS) wurde vor drei Jahren von der Outdoor-Marke The North Face initiiert und ist inzwischen die im Mode-Einzelhandel am häufigsten zu findende Kennzeichnung. Die drei Buchstaben zertifizieren Lieferketten, bei denen Daunen ausschließlich von bereits getöteten Tieren (Schlachtrupf) stammen. Die Tiere müssen ohne leidvolle Umstände gehalten und dürfen nicht zwangsgefüttert werden. Kontrollen finden angekündigt wie unangekündigt statt. Mit dem Standard arbeiten inzwischen bekannte Outdoor- und Modemarken: außer The North Face etwa Vaude, Columbia, Mammut, Jack Wolfskin, Deuter, Haglöfs, Esprit, C&A, Hess-Natur.
Global TDS: Der Global Traceabel Down Standard (Global TDS) strebt den höchstmöglichen Standard in der Daunengewinnung an und ist auch insofern strenger als RDS, da die Elterntiere mit kontrolliert werden. Der Standard TDS wurde zunächst von der Outdoor-Marke Patagonia entwickelt und später zur unabhängigen Zertifizierung Global TDS weiterentwickelt. Patagonia ist dafür bekannt, viel Wert auf nachhaltige Produktionsmethoden zu legen, geriet allerdings 2010 wegen Berichten über die Verwendung von Daunen aus Lebendrupf unter Druck.
Eigene Richtlinien: Spitzenreiter beim Tierschutz in der Daunenverarbeitung ist das schwedische Unternehmen Fjällräven, das eigene Richtlinien für die Daunen-Lieferkette entwickelt und ganz ohne Label auskommt. Die Bedingungen gelten als besonders streng. Der Standard gehöre zu den transparentesten der Branche, heißt es bei Utopia, einem Portal für Nachhaltigkeit. Außer dem Verbot von Lebendrupf und Stopfmast geht es auch um Artenschutz.