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Behandlungskosten : Wieso die Krankenkassen die Partikeltherapie honorieren sollten

Teuer, aber wegweisend: Anlage für die Partikeltherapie zur Krebsbehandlung am Klinikum Gießen/Marburg. Bild: PantherMedia

Das Uni-Klinikum in Gießen und Marburg bietet eine spezielle Partikeltherapie bei ­Tumoren – mit großem Erfolg. Aber wie es weitergeht, hängt an den Krankenkassen. Dabei geht es auch um klinische Studien.

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          Welche Rolle spielt ein Leuchtturm? Die Frage ist weniger gewöhnlich, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn dem Leuchtturm als Begriff kommt nicht nur eine Bedeutung zu. Am Meer ­handelt es sich historisch gesehen um einen Turm mit einem Feuer an der Spitze. Er soll Seefahrern mit seiner optischen Strahlkraft als Peilmarke dienen und sie zugleich vor Untiefen und anderen verborgenen Gefahren warnen. Das Bild solcher Leuchtfeuer als aus der Landschaft herausragende Gebäude hat sich die Politik längst zunutze gemacht und, um in der Seefahrersprache zu bleiben, den Begriff gekapert: Sie bezeichnet auch binnenländische Bauwerke als „Leuchttürme“, sofern sie als beispielhaft gelten können. Das gilt etwa für das Partikeltherapiezentrum neben dem Uniklinikum in Marburg. Einer von nur zwei Anlagen dieser Art in Deutschland.

          Thorsten Winter
          Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für Mittelhessen und die Wetterau.

          Das Partikeltherapiezentrum zur Behandlung besonderer Tumore ist ein Kind der im Frühjahr 2006 von der hessischen Landesregierung unter Roland Koch (CDU) vollzogenen Privatisierung der zuvor fusionierten Unikliniken Gießen und Marburg. Seinerzeit ächzte der lahnabwärts gelegene Standort unter einem Investitionsstau. Es fehlte eine dreistellige Millionensumme aus der Landeskasse. Oder wie es der Ärztliche Geschäftsführer des mittelhessischen Großklinikums jüngst rückblickend formulierte: „Frankfurt war sa­krosankt, Marburg frisch saniert und Gießen dumm dran.“ Die Landesregierung suchte ihr Heil im Verkauf der Mehrheit der Anteile an einen privaten Klinikkonzern. Den Zuschlag bekam letztlich die börsennotierte Rhön-Klinikum AG. Sie hält seitdem 95 Prozent der Anteile, der Rest liegt beim Land. Im Gegenzug zum Verkauf sagte der fränkische Konzern einige Großbauvorhaben zu, darunter den Neubau des Klinikums in Gießen und eben das Partikeltherapiezentrum.

          Dass dieser ironischerweise in einem Flachbau untergebrachte sogenannte Leuchtturm erst 2015 und damit Jahre später als geplant zu funken begann, mittlerweile verlässlich wirkt, nun aber wieder aus finanziellen Gründen ins Blickfeld gerät, fügt sich passgenau ein in seine wechselvolle Geschichte. Erfreulich ist dieser Umstand aber weder für das am Ort tätige Team aus Medizinern, Physikern und anderem Personal noch für die rund 350 Patienten im Jahr. Sie brauchen niemanden, der im Zweifel dem Betrieb notwendige Energie entzieht. Derzeit geht es um die Frage: Unter welchen Bedingungen kann das Team um den neuen jungen Chef Sebastian Adeberg weiter mit Schwerionen und anderen Ionen schwer kranke Menschen behandeln und im Idealfall heilen? Menschen, darunter Kinder, denen sonst kaum oder gar nicht geholfen werden kann. Diese Frage bildet den Kern der Verhandlungen zwischen dem Uniklinikum Gießen und Marburg sowie dem Betreiber der Partikeltherapie einerseits und den Krankenkassen andererseits.

          Im Vergleich zu Orphan-Drug-Therapien fast ein Schnäppchen

          Um diesen spannungsgeladenen Kern gruppieren sich einige Satelliten. Das sind, neben der mindestens bis ins nächste Jahr hinein gewährleisteten technischen Unterstützung durch den Medizintechnik-Hersteller Siemens Heathineers, vor allem die mit einer Behandlung verbundenen Kosten. Anders gesagt: Die Kassen interessieren sich für deren Begründung, wie Gunther Weiß als Chef des Uniklinikums sagt. Eine Behandlung kostet im Durchschnitt eine überschaubare fünfstellige Summe. Nun weiß der Klinikchef um die Milliardendefizite der gesetzlichen Krankenkassen. Sie erwarten für das laufende Jahr ein Minus von etwa 17 Milliarden Euro und im nächsten Jahr ein noch tieferes Loch. Da die Krankenkassen mit Versichertengeldern umgehen, sind solche Fragen so zulässig wie notwendig.

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