
Kommentar : Vorbei an der Sackgasse
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Diskussionsfreudig: der hessische Landtag. Bild: dpa
Die Spitzen der Landtagsparteien haben die richtige Schlussfolgerung aus dem Fall Ypsilanti gezogen und der „Ausschließeritis“ weitgehend entsagt. Demokratisch gewählte Kräfte müssen grundsätzlich miteinander bündnisfähig sein.
Sag niemals nie, wusste schon Sean Connery bei seinem letzten Auftritt als James Bond Mitte der achtziger Jahre. Dass Politiker diesen Vorsatz ebenso beherzigen sollten wie der britische Geheimagent, musste die damalige SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti vor fünf Jahren auf die harte Tour erfahren. Mit ihrem vor der Landtagswahl 2008 gegebenen Versprechen, sie schließe eine Zusammenarbeit mit der „kommunistisch geprägten“ Linkspartei in jedweder Form aus, hatte sie sich in eine Sackgasse manövriert, aus der sie auch nach monatelangen Rangierversuchen keinen mehrheitsfähigen Ausweg fand. Am Ende scheiterte der Versuch, den Bruch eines zentralen Wahlversprechens mit der Aussicht auf einen Politikwechsel zu rechtfertigen, spektakulär - und zu Recht.
Die Spitzen der Landtagsparteien haben die richtige Schlussfolgerung aus dem Fall Ypsilanti gezogen und der „Ausschließeritis“ weitgehend entsagt. Demokratisch gewählte Kräfte müssen grundsätzlich miteinander bündnisfähig sein. Entscheidend sind nicht Ideologien, sondern Inhalte, nicht Personen, sondern Programme. Nur in Ausnahmefällen ist die Übernahme von Regierungsverantwortung ohne Kompromisse möglich. Tatsächlich hätte eine von der damals handzahmen Linkspartei tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung im Jahr 2008 kaum den Niedergang Hessens zur Folge gehabt. Im schlimmsten Fall wäre ein solches Experiment schnell gescheitert, und es hätte, wie ohnehin auch am Ende von Ypsilantis vergeblichen Bemühungen, Neuwahlen gegeben. Das Problem der SPD-Spitzenfrau war weniger die mögliche Fragilität eines rot-grün-roten Dreierbündnisses als vielmehr der Bruch ihres unbedachten Versprechens vor der Wahl.
Schäfer-Gümbels Realitätssinn
Die Forderung nach möglichst großer Flexibilität bei der Regierungsbildung ist jedoch kein Plädoyer für Beliebigkeit. Die Alternative bei der Landtagswahl am 22. September ist erfreulich klar: eine Fortsetzung der auf Konsolidierung des Erreichten ausgerichteten CDU/FDP-Koalition oder das Wagnis eines Neuanfangs unter einem Bündnis von SPD und Grünen. Alle anderen Koalitionen wären schlechtere Kompromisse, und doch wären sie allemal besser als die Hoffnung auf ein eindeutigeres Ergebnis bei Neuwahlen.
Dass Schäfer-Gümbel eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht kategorisch ausschließen mag, liegt an seinem Realitätssinn. Der SPD-Spitzenkandidat weiß um die Probleme, die eine Verbindung mit radikalen Polit-Illusionären verursachen würde, aber er verhindert auf diese Weise ein abermaliges Dilemma. Welche Politik dabei herauskäme, steht auf einem anderen Blatt.

Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung, verantwortlich für den Rhein-Main-Teil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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