
Kommentar : Gescheiterter Reformversuch
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Das Opfer des Kasseler NSU-Mordes: Halit Yozgat, nach ihm wurde ein Platz in Kassel benannt. Bild: dpa
Im NSU-Ausschuss des hessischen Landtags wird deutlicher, dass das Versagen der Behörden nach dem Mord an dem Kasseler Internetcafé-Betreiber Yozgat im April 2006 bei weitem nicht nur auf organisatorische Mängel zurückzuführen ist.
Daran, dass der Verfassungsschutz reformbedürftig ist und die Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz deutlich verbessert werden muss, besteht seit der NSU-Mordserie kein Zweifel mehr. Hessen hat früh damit begonnen, aus den Versäumnissen Konsequenzen zu ziehen - zu früh vielleicht. Die Koalition aus CDU und Grünen ist bemüht, im Verfassungsschutzgesetz den Einsatz sogenannter V-Leute durch den Geheimdienst transparenter und restriktiver zu regeln, die Information zwischen den Behörden zu verbessern und dem Verfassungsschutz ein neues Leitbild zu geben.
Ein Versuch, der aller Ehren wert ist, doch stellte eine von der Regierung selbst eingesetzte Expertenkommission fest, dass einige der geplanten Vorgaben nicht mit dem neuen Bundesverfassungsschutzgesetz vereinbar sind. Das wurde erst erlassen, nachdem die hessische Regierungskoalition ihren Gesetzentwurf der Kommission zugeleitet hatte.
Angesichts der wachsenden Bedeutung des Verfassungsschutzes für die Bekämpfung des Terrorismus - ob von rechts oder links oder von Islamisten - spricht nun vieles für ein einvernehmliches Vorgehen von Regierung und Opposition. SPD und FDP haben die schwarz-grüne Koalition bereits aufgefordert, ihre Gesetzentwürfe für eine Reform und eine bessere parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes zurückzuziehen. Ob sich das Regierungsbündnis in dieser Frage kompromissbereit zeigen wird, ist allerdings zu bezweifeln. Dass Innenminister Peter Beuth (CDU) den Abschlussbericht der Expertenkommission ausgerechnet während einer wichtigen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses öffentlich vorstellen ließ, spricht jedenfalls nicht gerade für Sensibilität auf Regierungsseite.
Im NSU-Ausschuss des Landtags wird indes von Sitzung zu Sitzung deutlicher, dass das Versagen der Behörden nach dem Mord an dem Kasseler Internetcafé-Betreiber Halit Yozgat im April 2006 bei weitem nicht nur auf organisatorische Mängel zurückzuführen ist. Vielmehr verstärkt sich der Eindruck eines kollektiven Versagens von Polizei und Verfassungsschutz. Es wurde nicht entschlossen genug ermittelt, nicht ausreichend kommuniziert, und niemand kam auf den doch naheliegenden Gedanken, dass die Morde an neun Bürgern mit Migrationshintergrund ausländerfeindlich motiviert sein könnten. Fazit: Es müssen nicht nur Gesetze geändert, sondern auch Mauern in den Köpfen eingerissen werden.