Kohlekraftwerk Staudinger : Server und Recycling zur Zukunftssicherung
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Seltener Anblick: Dampfwolken über einem Staudinger-Kühlturm Bild: Rainer Wohlfahrt
Uniper, der Betreiber des Kohlekraftwerks Staudinger, überlegt, wie er den Standort sichern kann. Und dabei kommt er auf bemerkenswerte Ideen.
Etwas fehlte am Himmel über Großkrotzenburg. Der vertraute Anblick der weißen Dampfschwaden aus den Kühltürmen des Kohlekraftwerks Staudinger war ja schon in den vergangenen Jahren weniger geworden, doch jetzt stand von Juni bis August der letzte kohlebetriebene Block 5 vollständig still. Nur aus dem Kühlturm von Gasblock 4 quollen in dieser Zeit gelegentlich Wolken und wiesen darauf hin, dass noch Strom produziert wird am Mainufer von Großkrotzenburg.

Korrespondentin der Rhein-Main-Zeitung für den Main-Kinzig-Kreis.
Auch in den nächsten beiden Jahren soll Block 5 in den Sommermonaten pausieren, so hat es die Betreiberfirma, die Eon-Tochter Uniper, beschlossen, weil sich die Kohleverstromung in diesen Zeiten nicht mehr lohnt. Die Kraftwerksblöcke 1 bis 3 sind längst dauerhaft abgeschaltet, und der zu ihrem Ersatz geplante Megablock 6 ist Geschichte.
Mehr Ausgaben als Einnahmen
Gerne würde das Unternehmen auch den Gasblock 4 komplett abstellen, doch das darf Uniper nicht. Die Bundesnetzagentur braucht ihn, um die Stromversorgung zu jeder Zeit garantieren zu können. So verursacht Block 4 dem Unternehmen mehr Ausgaben denn Einnahmen. Block 5 steht auch in diesen Herbsttagen immer wieder einmal still, weil der Markt dann laut Kraftwerksleiter Matthias Hube keine kostendeckende Stromerzeugung erlaubt. Das Verstromen von Kohle sei gestern gewesen, jetzt gelte es, neue Wege zu gehen, um die Zukunft zu gestalten.
Vom Tisch sind die Pläne, auf nicht mehr genutzten Kraftwerksflächen riesige Gewächshäuser zur Zucht von Tomaten zu bauen. An die Stelle dieser Idee sind nach einer Marktanalyse zwei Vorhaben getreten, die deutlich besser zu einem Kraftwerksstandort passen als die Aufzucht von Gemüse: die Ansiedlung eines Rechenzentrums und eine Recyclinganlage für teerhaltigen Asphalt von Deutschlands Straßen durch ein thermisches Verfahren, wie es bisher nur in den Niederlanden praktiziert wird.
Ein Rechenzentrum als realistische Möglichkeit
Beide Vorhaben sind noch längst nicht in trockenen Tüchern, erscheinen aber jetzt schon wesentlich greifbarer als die Idee der Gewächshäuser. Vor allem das Rechenzentrum könnte eine realistische Möglichkeit sein, den wirtschaftlichen Erfolg des Kraftwerks längerfristig zu sichern. Als potentieller Partner steht die Bit GmbH mit Sitz im nahe gelegenen Karlstein bereit. Das Unternehmen plant nach den Worten von Geschäftsführer Gunther ter Bahne den Bau eines mehrstöckigen Gebäudes auf dem Areal, auf dem heute noch die nutzlos gewordenen Kühltürme der Blöcke 1 bis 3 stehen.
Zu der Nutzfläche von 9600 Quadratmetern würden noch weitere Technikgebäude kommen, außerdem wäre in einer weiteren Ausbaustufe Platz für weitere Server-Gebäude durch den Abriss von vorhandenem Bestand. Für den Standort Staudinger spricht ter Bahne zufolge nicht nur die gute Verkehrsanbindung des Kraftwerksgeländes, sondern die optimalen Möglichkeiten der Stromversorgung. Ein Rechenzentrum brauche Unmengen von Strom, zuverlässig und rund um die Uhr. Das sei dann direkt vor der Haustür gewährleistet, etwa durch den Gasblock 4.
50.000 Quadratmeter Serverflächen
Es ist laut Hube zudem daran gedacht, eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage einzusetzen, die neben Strom auch Fernwärme zur Versorgung der Netze in Hanau und Großkrotzenburg erzeugen könnte. Ein weiterer Pluspunkt ist für ter Bahne das Vorhandensein einer Glasfaserleitung, die Computer und Server mit schnellem Internet versorgen könnte. Die Kühlung der Anlagen wäre für Uniper ebenfalls kein Problem. In der Endausbaustufe könnten mehr als 50.000 Quadratmeter Serverflächen entstehen, womit sich auf dem Staudinger-Gelände eines der größten Rechenzentren in Europa befinden würde.
Als zweiter potentieller Uniper-Partner kommt die Rhein-Main Umwelt GmbH in Frage, die seit dem Jahr 2005 eine Aufbereitungsanlage für Recycling von Baustellenabfällen in Hanau unterhält. Sie würde gerne auf einem südlich gelegenen Grundstück von Staudinger giftigen teerhaltigen Asphalt, wie er beim Aufbruch von Straßen in Deutschland in einer Menge von rund einer Milliarde Tonnen im Jahr entsteht, durch ein umweltfreundliches thermisches Verfahren von Schadstoffen befreien und zu neuem Baumaterial wie Sand und Kies umwandeln. Bis in die siebziger Jahre wurde das als krebserregend geltende Material in den deutschen Straßen verbaut, heute wird es laut Hube durch Bitumen ersetzt.
In den Niederlanden ist eine Deponierung des schadstoffhaltigen Straßenaufbruchs nicht gestattet. Behandelt wird er dort von der Firma Reko, die im Rotterdamer Hafen rund 500.000 Tonnen Asphalt pro Jahr von Schadstoffen befreit, ohne die Umwelt zusätzlich zu belasten, so Direktor David Heijkoop. Das Unternehmen sei das einzige in Europa, das diese Technik anwende. Die Firma Reko stünde als Projektpartner bereit, während die Rhenus GmbH mit Sitz im Hanauer Hafen als langjähriger Partner von Staudinger für den Transport der Materialien überwiegend per Schiff sorgen würde. Bei der Verbrennung würde auch Fernwärme anfallen. Für die Verwirklichung des Vorhabens bräuchte Uniper allerdings klare Signale des Landes Hessen, wie Huber meinte. Denn solange die Deponierung des schadstoffhaltigen Materials nicht nur erlaubt, sondern auch günstiger als die Wiederaufbereitung sei, könne eine solche Anlage nicht wirtschaftlich in Deutschland betrieben werden.