Krankenhausreform : „Fallpauschalen setzen Fehlanreize“
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Wille zur Veränderung: Hessens Sozialminister Kai Klose (Die Grünen). Bild: Lucas Bäuml
Deutschland steht vor einer großen Krankenhausreform. Warum die Bundesländer trotzdem auf eigene Regelungen bestehen, erklärt Hessens Gesundheitsminister Kai Klose im Gespräch.
Es heißt oft, das Gesundheitssystem sei krank. Heilung soll nun die Krankenhausreform bringen. Sprechen wir hier von einem kleinen Eingriff oder von einer Operation am offenen Herzen?
Wenn wir weitermachen in der Struktur, die wir im Moment haben, würde dies das eine oder andere Krankenhaus ohne einen Eingriff nicht überstehen. Damit wir die Qualität unseres hochwertigen Gesundheitssystems aufrechterhalten können, müssen wir Dinge ändern. Der Ansatz der Bundesregierung, gemeinsam mit den Ländern eine große Krankenhausstrukturreform auf den Weg zu bringen, ist genau der richtige. Die Basis bildet das Konzept der Expertenkommission. Das ist eine vernünftige Diskussionsgrundlage, auch wenn klar ist, dass das nicht eins zu eins umgesetzt wird.
Wird am Ende wieder jedes Land seine eigene Agenda durchsetzen?
Es ist für alle Länder wichtig, dass es eng definierte Öffnungsklauseln und Ausnahmetatbestände gibt, um notwendige regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Es muss aber eine einheitliche und funktionierende Reform sein.
War das nicht eine Lektion aus Corona, dass man mit einer Ausnahme wieder einen Flickenteppich an Regelungen ermöglicht?
Es kommt darauf an, die richtige Balance zu finden. Es ist richtig, bundeseinheitlich Kriterien zu definieren und die Korridore der Öffnungsmöglichkeiten eng zu belassen. Es kann am Ende ja nicht so sein, dass wir 16 verschiedene Systeme haben.
Darin, dass eine Reform notwendig ist, sind sich alle einig. Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die aktuelle Situation in den Krankenhäusern dar?
Seit etwa 20 Jahren funktioniert die Krankenhausfinanzierung primär über Fallpauschalen. Das wiederum setzt Kliniken unter enormen ökonomischen Druck. Wir müssen stärker dahin kommen, die Versorgungsstruktur neu zu sortieren. Das heißt, eine stärkere Konzentration auf spezialisierte Kliniken und gleichzeitig eine Krankenhauslandschaft, die kurze Wege für die Notfallversorgung bietet.
Die Fallpauschalen wurden ja nicht ohne Grund eingeführt. Sie sollten verhindern, dass Patienten länger in den Kliniken liegen müssen, als unbedingt notwendig. Ist jetzt alles schlecht, was einst gut war?
Die Fallpauschalen setzen Fehlanreize zur Masse. Bevor sie eingeführt wurden, war die Einsicht, dass es in Deutschland zu viele Krankenhausbetten gibt und die Menschen zu lange im Krankenhaus bleiben mussten. Man ist vor etwa 20 Jahren dazu übergegangen, pro Fall zu bezahlen. Der Effekt, den man sich damals versprochen hatte, ist eingetreten. Nämlich, dass Menschen wesentlich schneller aus Krankenhäusern entlassen werden. Aber die Pauschale hat auch dazu geführt, dass Krankenhäuser, die wir auch brauchen, weil sie die Notfallversorgung im ländlichen Raum sicherstellen, sich allein über die Fallzahl nicht mehr finanzieren können.
Ist die Fallpauschale das einzige Problem?
Nein. Wir sind in einer Situation, in der wir aufgrund der demographischen Entwicklung immer mehr Menschen haben, die auf medizinische Dienstleistungen angewiesen sind, gleichzeitig aber immer weniger Personal dort zur Verfügung steht, weil die geburtenstarken Jahrgänge zunehmend aus den medizinischen und pflegerischen Jobs herausgehen. Alle diese Faktoren kommen jetzt zusammen und wirken auf die Krankenhäuser ein.