Kehrtwende in der Politik : Das „relative Nachtflugverbot“ hat viele Väter
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Unklare Route: Gegner werden zu Befürwortern eines Nachtflugverbots. Bild: dapd
Bald will es keiner mehr gewesen sein. Die Nachtflugregelung für den Frankfurter Flughafen gerät in den Oberbürgermeister-Wahlkampf und auch sonst zwischen die politischen Mühlsteine.
Als der damalige hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU) am 18. Dezember 2007 die Genehmigung für den Ausbau des Frankfurter Flughafens vorlegte, war der darin verpackte Sprengsatz längst den meisten bekannt. Denn schon Monate zuvor war kolportiert worden, dass die Ministerialbeamten an einer Lösung feilten, wie die Vorgabe der Mediation - den Ausbau nur im Gegenzug für ein Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr zu gewähren - und die internationale Bedeutung des Airports miteinander zu vereinbaren seien. Die Kommunen wurden im Regionalen Dialogforum darauf vorbereitet, die „Null“ sei wohl nicht zu halten. Der Begriff vom „relativen Nachtflugverbot“ war geboren.
Dass es (im Durchschnitt) 17 Starts oder Landungen wurden, ist zwar das Ergebnis einer komplizierten mathematischen Gleichung, basiert aber auf einigen politischen und prognostischen Variablen. Vereinfacht ausgedrückt, hat man die Hälfte dessen genommen, was die in Frankfurt am stärksten verankerten Fluggesellschaften als essentiell geltend machten, um im globalen Frachtgeschäft und in der europäischen Ferienfliegerei nicht erheblich geschwächt zu werden.
Die Abkehr von der Null
Den Auslöser, von der Vorgabe der Mediation abzurücken, hatte nach Sicht des hessischen Verkehrsministeriums im Jahr 2006 das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Bau des Großflughafens Berlin-Schönefeld geboten. Die Leipziger Richter lehnten den Betrieb rund um die Uhr ab, weil kein „standortspezifischer Nachtflugbedarf“ wie etwa die „Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs“ nachgewiesen sei. Damit könne für den internationalen Großflughafen Frankfurt nur eine Lösung vor dem Bundesverwaltungsgericht Bestand haben, die zumindest ein gewisses Kontingent für die Nacht erlaube, folgerten im Umkehrschluss die Juristen in Wiesbaden.
Die Abkehr von der Null schuf vor allem deshalb solch große Empörung, weil es die Landesregierung und der Ministerpräsident persönlich gewesen waren, die sich anfangs für ein absolutes Flugverbot in diesen sechs Stunden stark gemacht hatten. Koch beanspruchte sogar entgegen der Gewohnheit, diesen Posten dem Finanzminister zu überlassen, den Vorsitz im Aufsichtsrat des Flughafenbetreibers FraportAG für sich. Koch wollte, daraus machte er nie einen Hehl, als Repräsentant des Landes, des größten Anteilseigners, den Ausbau an maßgeblicher Stelle vorantreiben. Auf sein Drängen war auch zurück zu führen, dass Fraport in den Antrag zum Ausbau des Flughafens hineinschrieb, der Betrieb solle künftig eben in jener „Mediationsnacht“ ruhen - eine für ein Unternehmen höchst ungewöhnliche Selbstbeschränkung.
Nicht wegen der Nachtflüge abgestraft
Die Kehrtwende gegen Ende des langwierigen Genehmigungsverfahrens lässt sich wohl am ehesten mit der Sorge erklären, andernfalls den Standort im boomenden Luftverkehr zu gefährden und am Ende des Rechtswegs eine Niederlage gegen die den Nachtbetrieb weiterhin fordernden Fluggesellschaften zu erleiden. Dabei schwang das 650 Millionen Euro teure Debakel im Streit darüber, ob die neue Landebahn in unmittelbarer Nachbarschaft des Chemiewerks Ticona gebaut werden könne, wohl auch noch mit. Wie stark der Druck der Luftfahrtbranche tatsächlich war, darüber lässt sich nur spekulieren. Eine Absprache über ein Kontingent, das den Fraport-Großkunden und Anteilseigner Lufthansa privilegierte, gab es entgegen mancher Spekulationen aber nicht. Das zeigte sich spätestens, als der Konzern Klage gegen die Nachtflugregelung erhob, um allein für seine Töchter mehr als 20 Starts und Landungen zwischen 23 und 5 Uhr zu erwirken.