Finanz-Start-ups : Zu wenig Frauen in Fintechs
- -Aktualisiert am
Mehr Präsenz: Marguerite Arnold wünscht sich mehr Frauen in Fintechs. Bild: Helmut Fricke
In Finanz-Start-ups gibt es kaum Frauen in Führungspositionen. Einige Frauen, die es bis dahin geschafft haben, versuchen das nun zu ändern - und suchen gleichzeitig nach Erklärungen.
Marguerite Arnold wunderte sich. Die Amerikanerin mit deutschen Vorfahren war gerade nach Frankfurt gezogen, vorher hatte sie schon zwei Jahre in Dortmund gelebt. Sie wollte ein Unternehmen der Finanztechnologie (Fintech) gründen, an der Frankfurt School of Finance sich das theoretische Wissen aneignen. Ein Netzwerk wollte sie sich aufbauen, vor allem zu anderen Frauen in der Branche Kontakte schließen. Doch es gab keine.
Diese Erfahrung ist jetzt mehr als ein Jahr her. Im August gründete sie das Meet-up „Women in Fintech“, das Frauen den Einstieg in die Branche erleichtern soll. „Ich will ein Netzwerk schaffen“, sagt die Neunundvierzigjährige. „Für Frauen, aber auch für Männer, die mit Frauen zusammenarbeiten wollen.“ Denn auch Männer bedauerten nach ihrer Erfahrung, dass es so wenige Frauen in Fintechs gebe, zumindest in Führungspositionen.
Nicht gerne die erste Geige
Mehrere Treffen hat Arnold schon organisiert, 170 Frauen hätten sich der Initiative mittlerweile angeschlossen. Sie selbst hat in Frankfurt das Start-up MedPayRx gegründet, das Patienten unter anderem hilft, die richtigen Ärzte zu finden, und sie beim Kauf von Medikamenten unterstützt. An der Frankfurt School schreibt sie zurzeit einen Business-Plan dafür. Ungefähr 90 Fintechs gebe es im Rhein-Main-Gebiet, doch nur etwa zehn Frauen seien Mitglied in der Geschäftsführung, sagt Jochen Biedermann von Frankfurt Main Finance, der Arnold bei ihrer Initiative unterstützt.
Eine dieser Frauen ist Marylin Heib. „Ich will die Welt verändern“, sagt sie über ihre Motivation. Im Juni 2012 gründete sie zusammen mit drei Männern das Unternehmen Bettervest. Es stellt eine Plattform zur Verfügung, auf der die Nutzer in die Energieeffizienz zum Beispiel von Unternehmen und Kommunen investieren können. Heib sagt, Frauen hätten oft falsche Vorstellungen von Technik als Berufsfeld. Sie seien meist eher sozial interessiert - dabei könne man gerade mit Technik viele Dinge verändern. Zum Thema Führungspositionen sagt sie, dass Frauen einfach nicht so gerne die erste Geige spielten. „Sie würden nie eine Stelle annehmen, wenn sie nicht zu hundert Prozent überzeugt wären, dass sie der Aufgabe gewachsen sind.“ Sie selbst ist als Vertriebsleiterin eine von drei Geschäftsführern des Start-ups.
Alle Frauen zusammenbringen
Die Fintech-Frauen sind in Frankfurt mittlerweile gut vernetzt. Neulich trafen sich ungefähr zehn Frauen der Finanzbranche aus ganz Deutschland im Museum für Moderne Kunst zu einem Abendessen. Carolin Gabor zum Beispiel, Geschäftsführerin des Berliner Fintechs Finleap, das sich selbst als „Company-Builder“ bezeichnet: Die besten Fintechs in Europa wollten sie bauen, mit Hilfe eines Netzwerks aus motivierten Unternehmern und „den besten Tech-Experten, die wir weltweit finden“.
Im Sommer hat Gabor die Initiative „Fintech Ladies Europe“ gegründet. An verschiedenen Orten bringt sie dazu Frauen aus verschiedenen Branchen zusammen: Unternehmerinnen, Bankerinnen, Juristinnen. Sie hat dafür schon in Berlin, Zürich und London Abendessen organisiert, Frankfurt ist die letzte Station in der Reihe, nächstes Jahr will sie europaweit alle Frauen einmal zusammenbringen. „Ich bin fest überzeugt, dass, wenn man es schafft, mehr Frauen in Fintechs zu bringen, diese Start-ups insgesamt erfolgreicher sein werden.“
„Frauen sind zu perfektionistisch“
Biedermann glaubt ebenfalls daran: „Nach wissenschaftlichen Untersuchungen wirkt sich eine hohe Diversität positiv auf die Erfolgschancen von Start-ups aus.“ In Deutschland jedoch ist derzeit nur jedes zehnte Mitglied von Exekutivkomitees in Finanzberufen weiblich, heißt es in einer Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman. In der IT sieht es auf den ersten Blick nicht anders aus: Laut deren Bundesverband Bitkom lag der Frauenanteil in der Branche Anfang 2015 bei 15 Prozent, bei den Auszubildenden sogar nur bei acht Prozent. Das könnte sich aber ändern, wenn es gelänge, mehr Informatikstudentinnen in IT-Berufe zu bringen: Der Anteil der Frauen unter den Studienanfängern in Informatik steigt seit Jahren an, liegt im Moment bei immerhin mehr als 20 Prozent.
Auch Maria Pennanen möchte mehr Frauen an der Spitze von Fintechs sehen. Sie ist Ko-Gründerin des Accelerator Frankfurt, einer Institution, die Start-ups hilft, schnell erfolgreich zu werden. Pennanen sagt, entscheidend sei der Mut, einfach anzufangen: „Frauen sind da zu perfektionistisch.“
Finanzen und Technologie
Ein Pluspunkt von Fintechs im Vergleich zu Banken ist die größere Flexibilität, sagt Ivonne Arold, Prokuristin von Peermatch, einem Fintech für Immobiliendarlehen. „Ich kann von überall aus arbeiten, wo ich einen Laptop habe. Beruf und Familie lassen sich damit besser vereinbaren“, sagt sie. Dass es allgemein kaum Frauen in Fintechs gebe, kann sie nicht bestätigen: „Unser Frankfurter Team besteht aus neun Leuten, fünf davon sind Frauen.“ Für mehr Frauen in Führungspositionen fehle die Grundmasse, sagt sie. Ein wichtiger Punkt sei nach ihrer Erfahrung das fehlende Selbstbewusstsein: „Wenn Männer sich selbst beurteilen, sagen sie oft zuerst, was richtig gut ist, und erst dann, was sie verbessern können. Bei Frauen ist es oft umgekehrt.“
Die höhere Flexibilität in Fintechs bestätigt auch Michaela Mohri. Sie war in der Geschäftsführung von Fintura, einem Finanzportal für kleine und mittelständische Unternehmen, Ende September ist sie in den Beirat gewechselt. „Ich bin Mutter, damit ist das ständige Unterwegssein nicht kompatibel.“ Zwar sei sie seit ihrem Einstieg bei Fintura im Jahr 2014 immer noch oft unterwegs. „Aber ich kann die Zeiten nun besser steuern.“ Es sind ihrer Meinung nach vor allem zwei Gründe, warum es so wenige Frauen in Fintechs gebe: Finanzen und Technologie. Frauen beschäftigten sich nicht so sehr mit solchen „harten Themen“, sondern gingen eher zum Beispiel in Marketingberufe.