IT-Branche in Darmstadt : Im Silicon Valley von Südhessen
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Ort des Kongresses: das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt. Bild: Cornelia Sick
Fünf Jahre lang hat der Bund den Aufbau des Software-Clusters Rhein-Main-Neckar gefördert. Die Vertreter des Clusters leben Vernetzung mittlerweile in ihrem Alltag.
An der Aufgabe, Deutschlands digitale Wirtschaft zukunftsfähig zu machen, gibt es keine Zweifel – und das nicht nur wegen der wachsenden Bedeutung der IT-Sicherheit, für die in Darmstadt das Fraunhofer- Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT) fortlaufend neue Lösungen entwickelt. Dennoch wird heute während des Kongresses „Future Business Software 2015“ im SIT offiziell der Schlussstrich unter ein fünf Jahre währendes Förderprogramm des Bundes gezogen, das der Softwareinnovation für das digitale Unternehmen galt. Seit 2010, als die „Software-Region Rhein-Main-Neckar“ im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundes ausgezeichnet wurde, sind insgesamt 80 Millionen Euro in die Förderregion geflossen. Dieses Programm des Bundesforschungsministeriums wird jedoch nicht weitergeführt. Auf dem Kongress stehen daher nicht nur die konkreten Erfolge des Software-Clusters zur Diskussion, es steht auch die Frage im Raum, wie das aufgebaute Netzwerk weitergeführt werden kann.
Dass es weitergehen sollte, steht für Claudia Baumer und Sascha Peters außer Frage. Baumer von der Intelligent View GmbH in Darmstadt ist eine Frau der ersten Stunde des Vereins „IT for Work“ und derzeit die stellvertretende Vorsitzende, Peters der Vereinsgeschäftsführer und Cluster-Manager der IHK Darmstadt. „IT for Work“ gilt als das führende IT-Netzwerk in Südhessen, das Gegenstück in Kaiserslautern ist der Verein STI, im Saarland das Kompetenzzentrum Informatik und in Karlsruhe das Cyber-Forum. In diesen vier regionalen Netzwerken haben sich die Großen der Branche mit kleinen und mittleren Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen und Institutionen zusammengetan. Zu den klingenden Namen in Darmstadt zählen etwa die Software AG, die Technische Universität oder das House of IT.
Darmstadt - ein IT-Spitzenort
Der Geldsegen des Bundes galt einerseits vier Forschungsschwerpunkten, darunter der Datenschutz, der Aufbau einer Struktur, die den Technologietransfer erleichtert, die Förderung von Unternehmensgründungen, Produktentwicklungen, die Mitarbeiterwerbung und das Marketing für „Europas Silicon Valley der Unternehmenssoftware“. Auf allen diesen Feldern fällt die Bilanz aus Darmstädter Sicht positiv aus. „Unsere Kooperation hat funktioniert und zwar gerade bei den kleinen und mittleren Unternehmen. Die Berührungspunkte wurden abgebaut, die Grenzen der Regionen aufgelöst. Wir kooperieren inzwischen nicht nur miteinander, wir sind Freunde geworden“, sagt Baumer, deren Unternehmen im Verlauf des Kongresses die Produktinnovation „Caesar“ präsentieren wird. Das ist eine Software, die die Kommunikation und Zusammenstellung von Wertschöpfungsketten einfacher machen soll.
Auch wenn das Silicon-Valley-Label sich auf den ersten Blick mangelnder Bescheidenheit verdächtig macht – das südwestdeutsche Software-Cluster ist mit 11.000 Unternehmen, 100.000 Beschäftigten, 25 Milliarden Euro Umsatz und 17 IT-Forschungszentrum ein Branchenriese in Europa. Und Darmstadt steht nicht nur mittendrin, sondern auch an vorderer Stelle: Eine Untersuchung der Europäischen Union listet die kreisfreie Stadt an siebter Stelle der IT-Spitzenplätze auf, dicht hinter Paris (Platz drei) und weit vor Frankfurt (Platz 30).
Wo Vernetzung konkret werden kann
Kein Wunder also, dass die Marketing-Managerin Baumer und Cluster-Manager Peters viel Wert darauf legen, über „IT for Work“ diese Kompetenzen auch weiterhin deutlich zu machen. Seit seiner Gründung hat der Verein einen großen Sprung getan – von 29 auf nunmehr 60 Mitglieder – und seine Angebote immer weiter ausgeweitet. Auch das ist mit Hilfe des Bundes geschehen, durch dessen Förderung zum Beispiel die in Darmstadt ansässige zentrale Koordinierungsstelle des Spitzenclusters und die Stelle des regionalen Cluster-Managers finanziert worden sind.
Vernetzung ist zwar ein gerne gebrauchtes Allerwelts-Schlagwort, aber in Darmstadt gehen damit sehr konkrete Angebote einher. Einmal im Jahr bietet „IT for Work“ seinen Mitgliedern etwa eine Jobtournee und fährt rund 100 Studenten mit Bussen direkt in die IT-Unternehmen. Der Verein kümmert sich auch um Geschäftsanbahnungen und hilft Firmen theoretisch wie praktisch dabei, sich im Förderdschungel zurechtzufinden. Zum Beispiel der Sanner GmbH, einem in Bensheim ansässigen Hersteller von Verschlüssen und Verpackungen. Weil das Unternehmen eine technische Lösung aus der Welt des Internets der Dinge und Dienste benötigte (Industrie 4.0), die auf dem Markt nicht zu finden war, hat Peters über die Vereins-Plattform passende Partner ausfindig gemacht, ein Konsortium zusammengestellt und einen Förderantrag an das Land formuliert. „Wir sind gerade mitten im Verfahren und bearbeiten noch drei weitere solcher Projekte.“
Heute besteht für Baumer Gelegenheit, auf diese und andere Formen der Wirtschaftsförderung durch „IT for Work“ zu sprechen zu kommen, wenn sie am Nachmittag die Podiumsdiskussion „Fünf Jahre Spitzencluster – Erfolge, Lektionen, Perspektiven“ moderiert. Mit am Tisch wird Hessens Wirtschafts-Staatssekretär Mathias Samson sitzen. Sicherlich bekommt er im Verlauf des Gesprächs ihre Darmstädter „Lektion“ zu hören, die sich in dem Satz zusammenfassen lässt: „Für uns als kleine und mittlere Unternehmen wäre weitere Förderung wichtig.“