Infrastruktur für Elektroautos : Es gibt einfach zu wenige Steckdosen
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Unter Strom: Eine Ladestation vor einer Filiale des Discounters Aldi in Kelsterbach Bild: Kerstin Papon
Elektroautos sind hip – aber auch sie brauchen eine regelmäßige Energiezufuhr. Ohne eine flächendeckende Lade-Infrastruktur kurven sie weiter in der Nische. Ein Überblick.
2008 kam der schnittige Tesla-Roadster auf der Basis eines Lotus-Sportwagens, den fast jeder Hollywoodstar in seiner Garage stehen hatte, auf den Markt. Seitdem ist klar: Elektroautos können schön sein, schnell und cool – und sie sind politisch korrekt. In der Breite hat all das allerdings auch in Deutschland bis heute kaum gewirkt. Die Zulassungszahlen für reine Elektroautos sind so dürftig geblieben, dass die Bundesregierung das für 2020 ausgegebene Ziel von einer Million solcher Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen vorsichtshalber aufgeweicht hat: Inzwischen werden Hybridfahrzeuge kurzerhand mitgezählt. Reichen wird es wahrscheinlich aber dennoch nicht, denn es müssten in den nächsten zweieinhalb Jahren rund 800.000 neue Elektro- und Hybridautos hinzukommen.
Selbst der im Sommer 2016 eingeführte Umweltbonus von bis zu 4000 Euro, der beim Kauf eines Elektro- oder Hybridfahrzeuges einzustreichen wäre, liegt wie Blei in dem von Bund und Autoindustrie mit 1,2 Milliarden Euro gefüllten Prämientopf. Ende Februar lagen beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle gerade einmal 12 650 Anträge aus ganz Deutschland vor, etwas mehr als die Hälfte (7107) für reine Elektrofahrzeuge. Auf Hessen entfallen derzeit nicht einmal 1000 Anträge, genau sind es 973; gut 500 davon betreffen reine Elektroautos. Eine bittere Bilanz.
Erklärvideo : Wie funktioniert ein Elektroauto?
Heikle Konstruktion mit der Kabeltrommel
Die Ursache: Es fehlt die flächendeckende Lade-Infrastruktur. Das ist auch nach Ansicht des hessischen Kraftfahrzeuggewerbes der Grund dafür, dass Elektrofahrzeuge nicht eben zu den Verkaufsschlagern der Autohäuser zählen. „Es ist eine tolle Technik, aber sie muss eben für den Nutzer passen“, sagt ein Verbandssprecher. Und für viele Nutzer passt sie nicht, weil eben die Infrastruktur fehlt. Dabei ist es nach Erfahrungen aus der Branche weniger die Planung einer längeren Strecke, die interessierten Autokäufern Kopfzerbrechen bereitet, sondern der tägliche Betrieb.
Das ist nachvollziehbar: Ein Innenstadtbewohner, der froh ist, wenn er irgendwo am Straßenrand einen Parkplatz findet, hat kaum eine realistische Chance, dort sein Elektroauto laden zu können. Selbst wenn er es schaffte, per Kabeltrommel sein Auto mit der heimischen Steckdose zu verbinden, müsste er die heikle Konstruktion bei gewöhnlicher 220-Volt-Steckdose rund acht Stunden riskieren. Stellt man sich nun noch vor, dass alle Bewohner eines größeren Mietshauses in gleicher Weise verfahren wollten, wird überdeutlich, wo die Schwächen der E-Mobilität liegen. Da hilft es auch wenig, dass beispielsweise der Lebensmitteldiscounter Aldi seine neu gestalteten Filialen gleich mit Elektroladesäulen ausgestattet hat.
Großes Interesse an Förderprogramm
Andererseits gibt es unter den mittlerweile rund 320 Ladesäulen, die das Stromtankstellenverzeichnis von Going-Electric im Internet für die Rhein-Main-Region ausweist, auch einige, die als Schnellladestationen ausgelegt sind. Dort ist dann ein Elektroauto in einer halben Stunde wieder voll aufgeladen, in einer Viertelstunde zur Hälfte.
Dass der Funke der Elektromobilität auf den privaten Endverbraucher nur dann richtig überspringt, wenn es mit der Lade-Infrastruktur schnell sehr viel besser wird, hat auch das Bundesverkehrsministerium bemerkt und in diesem Monat ein Förderprogramm gestartet. Ziel ist es, in ganz Deutschland 15 000 neue Ladesäulen so in den Städten und Gemeinden aufzustellen, dass sie für jedermann nutzbar sind. 300 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Beantragen können nicht nur Städte und Gemeinden das Fördergeld, sondern auch private Investoren. Das Interesse an dem neuen Programm sei derart groß, dass die Initiatoren selbst fast ein wenig überrascht seien, heißt es aus dem Ministerium.
Offenbach will umrüsten
Dass der Aufbau einer wirklich flächendeckenden Lade-Infrastruktur eher eine Dekade als ein Jahr in Anspruch nehmen wird, weiß man bei der Projektleitstelle Modellregion Elektromobilität Rhein-Main in Offenbach wohl. Dort wie auch in der Kraftfahrzeugbranche ist aber auch bekannt, dass etwa Zustellflotten, Busse des öffentliche Personennahverkehrs und Taxis mit ihren festen Basen sehr viel schneller auf reinen Elektroantrieb umzustellen sind und so die Luftqualität in vielen deutschen Innenstädten rasch verbessert werden könnte.
So ist beispielsweise Offenbach nicht nur dabei, die Innenstadt mit einer E-Mobil-Station auszustatten, in der Nutzer Elektrofahrräder und Elektroautos mieten können. Die Stadt plant auch, die Busflotte in absehbarer Zeit auf Elektroantrieb umzustellen, da man schon mit einem umgerüsteten Bus erste Erfahrungen mit der E-Technik gesammelt hat.
Opel sieht sich mit Ampera-e als Vorreiter
Wenn es um ihr neues Elektroauto Ampera-e geht, spielen die Opelaner ein bisschen Geheimniskrämer. Die Norweger können das Fahrzeug schon bestellen. Wann aber wird es in Deutschland so weit sein? Das verrät das Unternehmen noch nicht genau. „Im Laufe des Jahres“ soll der Nachfolger des alten Ampera auch für Käufer hierzulande erhältlich sein. Opel ziehe Norwegen dem Heimatmarkt unter anderem vor, weil das Land der E-Mobilität offener gegenüberstehe als Deutschland, heißt es in Rüsselsheim. Klar ist: Elektroautos spielen hierzulande weiter bestenfalls eine Nebenrolle.
Das zeigen neue Zahlen aus dem Kraftfahrt-Bundesamt: Im Februar wurden bundesweit 243 600 Autos neu zugelassen – nur 1546 davon mit Batterieantrieb. Alles in allem verlieren sich zwischen der Küste und den Alpen gut 34 000 E-Autos in der Masse von insgesamt 62,6 Millionen Fahrzeugen. Als Marktführer gilt Renault. Die Franzosen sind seit 2009 mit batteriegetriebenen Autos am Markt. Im selben Jahr stellte Opel den Ampera vor, der auf den Chevrolet Volt zurückgeht. Dieses Fahrzeug kommt mit der Batterie bis zu 80 Kilometer weit, der eingebaute Verbrennungsmotor schaltet sich ein, wenn die Batterie zu weniger als einem Fünftel geladen ist. Der Ampera-e bringt es dagegen laut Hersteller auf 520 Kilometer, während zum Beispiel der Renault Zoe auf 400 Kilometer kommt. Somit beseitige der Ampera-e das „größte Handicap“ von Elektroautos – die geringe Reichweite und die daran gekoppelte Angst von Fahrern, mit leerer Batterie irgendwo in der Landschaft liegenzubleiben. Deshalb sieht sich die Marke mit dem Blitz nun als Vorreiter bei E-Fahrzeugen.
Opel bezeichnet den Neuling als „revolutionäres Elektroauto“. Selbstbewusst fügen die Rüsselsheimer hinzu: „Klar ist, dass die Elektromobilität in Zukunft eine zunehmend größere Rolle spielen wird.“ Die Autoindustrie sei bereit für das „Zeitalter der Elektromobilität“. Neue Technologien brauchten aber Zeit – und die notwendige Infrastruktur. Das europaweite Netzwerk von bisher mehr als 2200 Schnellladestationen unterschiedlicher Anbieter werde wachsen. „Von besonders hoher Bedeutung ist aus unserer Sicht zudem die Infrastruktur am Wohnort und an den Arbeitsstätten“, so das Unternehmen. (thwi.)