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Frankfurt : Streit um „Heroin-Performance“

  • -Aktualisiert am

Volles Haus: Daniel Wirtz singt vor Hunderten Fans in der Kaiserpassage im Bahnhofsviertel. Bild: Marcus Kaufhold

Eine Künstlergruppe kämpft gegen die Vertreibung Süchtiger aus dem Bahnhofsviertel. In einer drastischen Aktion soll sich eine Person eine Substanz in den Arm spritzen – vor Publikum. Die Stadt prüft ein Verbot.

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          Es soll ein plakatives Zeichen gegen die Aufwertung des Bahnhofsviertels und für den Verbleib von Drogenabhängigen an der Taunusstraße werden: Eine Person soll sich am Wochenende wie ein Heroinsüchtiger eine Substanz in den Arm spritzen – vor Publikum. Das Künstlerkollektiv „Frankfurter Hauptschule“ spricht von einer „Heroin-Performance“, mit der es sich gegen die Initiative „Tab – Taunusstraße, Arts and Bites“ wendet.

          Rainer Schulze
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Die Künstler befürchten, dass die Drogensüchtigen verdrängt werden. Das von der Stadt geförderte Projekt „Tab“ will mit einem Kulturprogramm die Straße bespielen, um mit Musik und Gastronomie dem Drogenhandel auf offener Straße entgegenzuwirken. Ob bei dem öffentlichen Drogenschuss gegen die „Gentrifizierung von oben“ tatsächlich Heroin oder doch ein anderer Stoff zum Einsatz kommt, lässt die Gruppe weiterhin offen.

          Geplantes Verbot nicht gegen die Kunstfreiheit gerichtet

          Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) hat sie dennoch auf den Plan gerufen. Er möchte die Aktion, die von Freitag bis Sonntag jeweils abends in einer Galerie in der Kaiserpassage stattfinden soll, verbieten lassen. Das Ordnungsamt prüfe gerade, ob das möglich sei. Man wolle alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. „Ich glaube, das ist strafrechtlich relevant“, sagte Frank auf Anfrage. Es gehe nicht nur um die verwendete Substanz, sondern auch um den Vorgang des Spritzens. Er hob hervor, dass sich das geplante Verbot nicht gegen die Kunstfreiheit richte. Ein Sprecher der „Frankfurter Hauptschule“ wehrte sich gegen die Vorbehalte. Die Aktion sei Kunst. Außerdem habe man bisher nichts strafrechtlich Relevantes angekündigt.

          Auch ungeachtet der rechtlichen Bedenken lehnt Frank die Aktion ab. Sie sei „deplaziert“ und „kontraproduktiv“. Es gehe bei der Initiative „Tab“ nicht darum, Drogenabhängige von der Taunusstraße zu vertreiben. „Ich bin nicht der schwarze Sheriff des Bahnhofsviertels.“ Bei dem Projekt würden „alle, insbesondere die Bewohner und Unternehmen, mitgenommen“. Der Dezernent versprach, dass die Drogenhilfsarbeit nicht eingeschränkt werde.

          Konzert soll Anreiz schaffen

          Die Taunusstraße ist einer der Schwerpunkte für den Handel mit und den Konsum von Drogen im Bahnhofsviertel. Immer wieder kommt es zu Übergriffen und Körperverletzungen. Kreative aus dem Quartier haben sich mit der Stadt zusammengeschlossen, um dem schlechten Ruf entgegenzuwirken. Einer der Protagonisten ist der Musiker Daniel Wirtz, der selbst an der Taunusstraße wohnt. Er hat die Erfahrung gemacht, dass sich Drogenhändler bei Veranstaltungen im Viertel beobachtet und unwohl fühlten. Als Vater mache er mit dem Kinderwagen einen Bogen um Teile der Taunusstraße, sagte Wirtz im Sommer, als das „Tab“-Projekt vorgestellt wurde. Das Gleichgewicht zwischen der Drogenszene und den anderen Bewohnern des Viertels stimme nicht.

          Vor einer Woche hatte Wirtz zu einem Konzert in die Kaiserpassage eingeladen. Hunderte Besucher waren zum Teil von weither angereist, um den aus dem Privatfernsehen bekannten Musiker zu sehen. Nach dem Konzert bildete sich eine Menschentraube vor dem Geschäft „Cream Music“ an der Taunusstraße, wo der Sänger Autogramme gab. Ordnungsdezernent Frank stand bei dem Konzert in der ersten Reihe. „Wir wollen einen Anreiz schaffen, dass sich Leute das Bahnhofsviertel ansehen“, sagt er. Wichtig sei, dass der Impuls zur Veränderung „authentisch“ aus dem Viertel heraus komme. Bis die Taunusstraße zu einer ähnlich „belebten Meile“ wie die Münchener Straße werde, sei noch ein Marathon zurückzulegen.

          Die „Frankfurter Hauptschule“ lehnt solche Aktionen ab. „Daniel Wirtz sollte beim Schlager bleiben. Das Bahnhofsviertel braucht kein Berufsopfer, das in jede Kamera plärrt, wie schlimm es hier ist“, schreibt die Gruppe. Auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht sie ein Foto des Konzerts, versehen mit dem hämischen Kommentar: „Mit diesen aus den letzten Käffern Hessens angekarrten Kreaturen kriegst du das Bahnhofsviertel niemals aufgewertet, Daniel.“ Auf Franks Ankündigung, niemanden vertreiben und die „Substanz des Bahnhofsviertels“ nicht verändern zu wollen, entgegnet die „Hauptschule“: „Wir wollen jemanden vertreiben – Markus Frank.“ Die Performance sei schon ausgebucht.

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