„Hier ist Fatalismus eingekehrt“
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Arbeitet seit einem Jahr unter widrigen Bedingungen: die Frankfurter Justiz Bild: Lucas Bäuml
Nicht nur die Frankfurter Justiz wartete lange auf ein Impfangebot. Das schlug auf die Stimmung. Dem Ministerium machen viele schwere Vorwürfe.
Es ist eine ganz normale Woche in der Frankfurter Justiz. Der Fahrradständer vor Gebäude E ist voll. An der Pforte winkt freundlich wie immer ein altgedienter Wachtmeister, während ein Stockwerk über ihm in den Gängen seine Kollegen nach Zeugen suchen, die gerade aufgerufen worden sind. In den Sälen arbeiten die Richter ihre Fälle ab, Staatsanwälte kommen vom grünen Gebäude der Staatsanwaltschaft herübergeeilt. Im Hof besprechen Rechtsanwälte mit ihren Mandanten, wie es nun weitergehen soll. Der Betrieb läuft, Corona hin oder her, es geht ja nicht anders. Das Grundgesetz kennt keine Pandemie, die Gerichte müssen offen bleiben. Doch unter der Oberfläche brodelt es.
Seit einem Jahr wird hier unter widrigen Bedingungen gearbeitet. Beklagt hat sich keiner. Wurde im vergangenen Frühjahr, als das unbekannte Virus über Deutschland hereinbrach, noch alles abgesagt, was abzusagen war, verhandelten die Gerichte vom Frühsommer an wieder wie eh und je. Mit etwas mehr Homeoffice und Videoübertragung überall da, wo es ging. Aber insbesondere im Strafrecht geht es nur mit Präsenz. So taten die Mitarbeiter ihren Dienst zwischen Plexiglasscheiben und geöffneten Fenstern auch bei Minusgraden. Seinen Dienst tun, das hieß je nach Rolle: jeden Tag Publikumsverkehr, ins Büro kommen, Angeklagte befragen, Zeugen vernehmen, Angeklagte aus den Zellen in den Saal führen, Verhandlungen protokollieren, sich mit Anwälten besprechen, Schöffen einweisen, Kinder, Eltern, Jugendamt und Polizei anhören, in Krankenhäuser, Psychiatrien und Pflegeheime gehen, über die Untersuchungshaft entscheiden – selbst wenn der Beschuldigte gerade aus einem Flugzeug aus Brasilien gestiegen ist.
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